Spezialschiffbau im Nordwesten unter Druck durch China

Stand: 26.03.2025 12:47 Uhr

Bei Abeking & Rasmussen in Lemwerder und bei der Fassmer Werft in Berne (beide Landkreis Wesermarsch) entstehen neue Spezialschiffe. Nach zwanzig Jahren des Schrumpfens haben die Werften wieder gut zu tun. Doch wie lange noch?

von Peter Becker

Es sind Mehrzweckschiffe wie die "Mellum" und die "Scharhörn", mit denen die deutschen Schiffbauer ihr Know-how zeigen und ihre Stärken ausspielen. Masse und Serienproduktion können andere - die deutschen Schiffbauer sind gefragt, wenn besondere Expertise und Qualität verlangt werden. Das ist das Selbstbild der Branche, an dem sicherlich vieles richtig ist. Es gehört aber zur Wahrheit dazu, dass viele Aufträge für Spezialschiffe von Behörden und Ministerien kommen. Private Handelsschiffe werden so gut wie gar nicht mehr in Europa bestellt.

Bund hat drei Spezialschiffe bestellt

Ein Schiff liegt an einem Steg. © NDR Foto: Peter Becker
Der Bau der "Mellum" schreitet voran. Im Spätsommer 2026 soll das Spezialschiff ausgeliefert werden.

In den Werfthallen von Abeking & Rasmussen in Lemwerder, direkt an der Weser, ist der Bau der "Mellum" weit vorangeschritten. Das 105 Meter lange und 20 Meter breite Mehrzweckschiff soll im Spätsommer 2026 an die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) übergeben werden. Die WSV will mit dem Neubau von gleich drei neuen Mehrzweckschiffen gewährleisten, dass bei einem Notfall auf Nord- oder Ostsee alle notwendigen Maßnahmen getroffen werden können. Dafür sind Schiffe von höchster Qualität erforderlich. Die Schiffbauer in Niedersachsen und im Land Bremen liefern diese Qualität und lassen sich diese auch entsprechend bezahlen. Rund 680 Millionen Euro kosten die neuen Fahrzeuge, die zwar baugleich sind, aber extra für die WSV angefertigt werden.

Wettbewerbsdruck durch chinesische Schiffbauer

Eine Grafik zeigt die Schiffbauaktivitäten in Europa und in China seit 2000. © NDR
Schiffbau-Aktivitäten werden in der Einheit "gewichtete Bruttoraumzahl" (CGT) gemessen. Diese ist in China deutlich gestiegen in den vergangenen Jahren.

Private Handelsschiffe werden allerdings hierzulande selten in Auftrag gegeben. Auch vier Spezialschiffe für den Ausbau der Offshore-Industrie wurden zuletzt von einem deutschen Joint Venture in Werften in China bestellt. Man hatte sich offenbar lange darum bemüht, die Schiffe in Deutschland bauen zu lassen und entsprechend zu finanzieren. Am Ende sprachen wieder einmal die Rahmenbedingungen gegen Deutschland und für China. "Europa hat in den letzten zwanzig Jahren etwa zwei Drittel seiner Produktion eingebüßt", sagt Reinhard Lüken, Hauptgeschäftsführer vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM). Viele Standorte hätten schließen müssen, weil Europa in diesen Märkten gegen die Preisgestaltung der chinesischen Wettbewerber keine Chance habe.

Asien produziert Schiffe in Serien - Preise sinken dadurch deutlich

Die Preise für Schiffe seien in Asien um ein Vielfaches niedriger, weil man dort in großen Serien produziere, sagt Lüken dem NDR Niedersachsen: "In China entstehen auf riesigen Werften fünfzig Schiffe pro Jahr und nicht wie bei uns nur zwei oder drei." Solche Dimensionen seien in Europa nicht zu erwarten. Aber es müsse auch hier mehr in Automatisierung und Serienfertigung investiert werden, sagt Lüken. Dazu brauche es auch öffentliche Förderungen; andererseits dürfe man nicht in einen Subventionswettlauf mit China geraten - diesen könne man ohnehin nicht gewinnen: Einer amerikanischen Studie zufolge hat China seinen Schiffbau mit 200 Milliarden US-Dollar subventioniert - innerhalb von 15 Jahren.

China will im Spezialschiffbau aufholen

Eine Grafik zeigt die Auftragseingänge des Jahres 2024 im Schiffbau in Europa, Japan, China und Südkorea. © NDR
Drei viertel der Aufträge im Schiffbau gingen im Jahr 2024 an China - auch Südkorea erhielt mehr Aufträge als Europa.

Im Jahr 2024 gingen drei Viertel aller Neuaufträge für zivile Schiffe an Werften in China - so die Zahlen eines Analyseunternehmens, die dem Verband für Schifffahrt und Meerestechnik (VSM) vorliegen. Und nun habe China auch noch den Spezialschiffbau zum Staatsziel erklärt und wolle "somit auch die Krone im Schiffbau für sich in Anspruch nehmen", sagt Lüken. China wolle einfach in jeder Sparte der größte Schiffbauer sein und damit "auch im militärischen Bereich noch stärker werden". China habe bereits die größte Marine der Welt: "Untersuchungen zeigen, dass sie auch die schlagkräftigste Marine in wenigen Jahren haben werden, weil sie einfach viel schneller wächst als beispielsweise die Marine der USA."

Experte fordert Förderungen auf EU-Ebene

Wie soll Europa also auf den Wettbewerbsdruck aus Fernost reagieren und was würde den deutschen Werften für Spezialschiffbau helfen? Lüken vom VSM sieht eine Chance darin, den europäischen Binnenmarkt zu stärken: So könne man etwa den Bau von Seeschiffen fördern, die nur auf europäischen Gewässern fahren. Eine solche Förderung innerhalb der EU würde nicht gegen internationale Wettbewerbsregeln verstoßen, so Lüken.

Fakten zur Lage im Schiffbau

  • Rund 200.000 Menschen leben in Deutschland vom Schiffbau. (Quelle: Verband für Schiffbau und Meerestechnik, VSM)
  •  Drei viertel aller Bauaufträge für zivile Schiffe gingen 2024 nach China. (Quelle: VSM)
  •  Europa (mit Norwegen und UK) hat seit 2005 rund zwei Drittel seiner Kapazitäten im Schiffbau verloren. (Quelle: VSM)
  •  78 Prozent der Betriebe im Schiffbau haben nach einer Schiffbauumfrage der IG Metall von 2024 Probleme, offene Stellen zu besetzen.

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 26.03.2025 | 19:30 Uhr

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