Razzia gegen rechtsextreme Musikszene: Niedersachse festgenommen
Bei einer bundesweiten Razzia gegen die rechtsextreme Musikszene haben Ermittler am Donnerstag einen Mann aus Niedersachsen festgenommen. Durchsuchungen gab es unter anderem in Bardowick und Salzgitter.
Die Polizei nahm den 34-Jährigen auf Grundlage eines Untersuchungshaftbefehls an seinem Wohnort in Bardowick (Landkreis Lüneburg) fest. Das Amtsgericht Celle ordnete daraufhin Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr an. Der Mann gilt als Rädelsführer und Kopf der Gruppe, wie die Generalstaatsanwaltschaft Celle am Donnerstag mitteilte. Ermittelt wurde unter anderem wegen des Verdachts, dass eine kriminelle Vereinigung gebildet wurde. Elf weiteren Tatverdächtigen im Alter von 36 bis 59 Jahren wird Mitgliedschaft oder Unterstützung der Vereinigung vorgeworfen. Diese soll strafrechtlich relevante, volksverhetzende rechtsextreme Musik produziert und vertrieben haben. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft handelt es sich dabei nicht um neue Musik, sondern um Nachpressungen von Tonträgern aus den 90er- und 2000er-Jahren, von in der Szene sehr bekannten Bands. Damit sollen die Täter 199.000 Euro an Einnahmen erzielt haben. Die Mitglieder werden größtenteils der rechtsextremen Szene zugeordnet.
Zehntausende CDs und Schallplatten sichergestellt
Bundesweit wurden zahlreiche Objekte durchsucht. Neben Niedersachsen liefen Razzien in Hamburg, Berlin, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Auch auf der spanischen Ferieninsel Mallorca wurde ein Objekt durchsucht. Um welche Art von Objekten es sich handelt, teilte die Generalstaatsanwaltschaft Celle nicht mit. Bei den Durchsuchungen stellten die Ermittler mehrere Zehntausend CDs und Schallplatten, zahlreiche Smartphones und Notebooks sowie Speichermedien sicher. In einem Bankschließfach des mutmaßlichen Rädelsführers habe man zudem 38.000 Euro Bargeld gefunden, hieß es von der Generalstaatsanwaltschaft. Die Auswertungen dauern an. Knapp 250 Polizeikräfte waren den Angaben zufolge im Einsatz.
Einsätze unter anderem in Bardowick und Salzgitter
In Niedersachsen wurden drei Objekte durchsucht, nach NDR Informationen unter anderem in Bardowick (Landkreis Lüneburg) und in Ringelheim, einem Stadtteil von Salzgitter. Zu den Verdächtigen gehört offenbar auch der bekannte 54-jährige Rechtsextreme Thorsten Heise, der im niedersächsischen Göttingen geboren wurde. Auch sein Haus in Fretterode (Thüringen) nahe der niedersächsischen Grenze wurde demnach durchsucht.
Polizei spricht von Ermittlungserfolg
Losgetreten wurde der gesamte Komplex durch die Zentrale Kriminalinspektion (ZKI) Oldenburg - dort laufe dazu seit mehreren Monaten ein Verfahren, hieß es. Den Ermittlern sei es zu verdanken, die tief verzweigten Strukturen dieses rechten, hasserfüllten Netzwerks aufgedeckt und ihm nun einen empfindlichen Schlag versetzt zu haben, sagte der Oldenburger Polizeipräsident Johann Kühme. "Hier wurde Musik statt zur Unterhaltung als politisches Instrument für menschenfeindliche Ideologien missbraucht." Martin Appelbaum, Leiter der Zentralstelle Terrorismusbekämpfung der Generalstaatsanwaltschaft Celle, verwies auf die große Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die von den volksverhetzenden, antisemitischen und ausländerfeindlichen Inhalten der Tonträger ausgehe: "Damit sollten gezielt junge Menschen angesprochen werden, auf die rechtsradikal-propagandistisch eingewirkt werden soll."
Behrens: Musik soll junge Menschen rekrutieren
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) dankte den Beamten für die monatelangen Ermittlungen. "Musik hat für Rechtsextremisten eine identitätsstiftende Funktion", sagte die Ministerin. Sie sei ein wichtiges Vehikel, um die Ideologie zu verbreiten. Ziel sei es dabei, vor allem junge Menschen zu beeinflussen und zu rekrutieren. Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) sagte: "Wer Hass und Hetze verbreitet, wer Menschen wegen ihres Glaubens oder ihrer Herkunft verächtlich machen will, darf sich in Niedersachsen nicht sicher fühlen."
Landtagsfraktionen begrüßen Razzien
Die niedersächsische SPD bezeichnete die Razzia als Schlag des Rechtsstaates gegen seine Feinde. Rechtsextreme Musik verherrliche Gewalt und verbreite Hass. Ähnlich äußerten sich auch die Grünen. Auf Rechtsrock-Konzerten vernetze sich die gewaltbereite rechte Szene. Beide - SPD und Grüne - unterstützen, dass die Polizei konsequent gegen die rechtsextreme Musikszene vorgeht. Die CDU sieht das genauso, Rechtsextremismus müsse strafrechtlich verfolgt werden. Die Maßnahmen seien demnach ein klares Signal an diejenigen, die Rechtsstaat und demokratische Werte untergraben. Von der AfD-Fraktion hieß es: Der Staat müsse zwar gegen volksverhetzende Parolen einschreiten, es müsse aber genauso konsequent gegen islamistische, antisemitische Schriften vorgegangen werden.
Verfassungsschutz: Rund 600 Menschen gehören Szene in Niedersachsen an
Der Verfassungsschutz rechnet in Niedersachsen knapp 600 Menschen der rechtsextremistischen Musikszene zu. Diese ist sehr unterschiedlich organisiert. Die im September verbotene und streng hierarchisch organisierte Neonazi-Gruppe "Hammerskins" hat nach NDR Informationen eine große Rolle gespielt. Der Großteil der Szene sei aber organisatorisch nicht gefestigt, hieß es im jüngsten Verfassungsschutzbericht. Die Szene finanziert sich durch den Verkauf von Tonträgern, Kleidung und anderen Werbe-Artikeln, hinzu kommen Konzerteinnahmen.
Mehr oder minder heimliche Konzerte
In Niedersachsen gibt es einige Akteure, die immer wieder mit unterschiedlichen Bands auftreten. Dazu gehören der in Meppen ansässige rechtsextremistische Musiker Daniel G. und der Sänger Hannes O. aus Lilienthal (Landkreis Osterholz). Zu mehr oder weniger heimlichen Konzerten der Szene kommt es auch in Niedersachsen immer wieder. Zuletzt hatte Ende August ein von Neonazis organisiertes Konzert in der Krummhörn in Ostfriesland hohe Wellen geschlagen.