Psychisch kranke Gefährder: Wann sind Zwangseinweisungen möglich?

Stand: 11.02.2025 10:56 Uhr

Psychische Erkrankungen können für Betroffene und ihr Umfeld zu einer Bedrohung werden. Für die Verantwortlichen in Behörden und Kliniken bedeutet das oft einen Drahtseilakt zwischen Freiheitsrechten und Gefahrenabwehr.

von Lotti Höfer und Matthias Schuch

Wann Menschen unter Zwang in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden dürfen, ist im Niedersächsischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (NPsychKG) geregelt: Demnach muss eine aktuelle Gefahr von der Person für sich selbst oder andere ausgehen, die nicht anders entschärft werden kann. Zuständig ist dann der sozialpsychiatrische Dienst des örtlichen Gesundheitsamtes. Dort entscheiden Sozialarbeiter oder Psychologen über eine zwangsweise Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie. Spätestens 48 Stunden nach der Anweisung muss das Amtsgericht entscheiden, ob und wie lange der Patient dort bleibt.

Hürden für Zwangseinweisungen sind hoch

Silke Sell, Leiterin des Oldenburger Gesundheitsamtes und damit auch zuständig für den sozialpsychiatrischen Dienst, erklärt: "Die Hürde, um jemanden zwangsweise unterzubringen, ist bewusst sehr hoch. Man nimmt jemandem die Freiheit." Zwangseinweisungen gehören hier zum Alltag der Mitarbeitenden. Ziel sei es, sich in Ruhe ein Bild zu verschaffen: "Die Menschen sind in einer Ausnahmesituation, die haben Angst, sind aufgeregt, weinen auch oft - da muss man also sehr gefühlvoll vorgehen." Gleichzeitig gebe es in Deutschland ein Recht auf Behandlung für psychisch Kranke, die in ihrer Willensbildung eingeschränkt sind, betont Ulrike Matthiensen von der Klinik für Suchtmedizin und Psychotherapie an der Karl-Jaspers-Klinik in Bad Zwischenahn. Dorthin werden psychisch Kranke aus einem großen Teil der Nord-West-Region eingewiesen.

Geflüchtete fallen durchs Hilfenetz

Viele Asylsuchende haben durch ihren Krankenkassenstatus lediglich ein Anrecht auf Notfallversorgung. Das beklagen Verbände wie das Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge: "Irgendwann geht es ihnen dann so schlecht, dass sie im Extremfall eine Gefahr für sich oder andere werden - und dann eben eingewiesen werden müssen." Zudem mangele es häufig an Dolmetschern und deren Finanzierung.

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Auch für Angehörige oft herausfordernde Situation

Nicht nur für die Betroffenen und die Verantwortlichen in Behörden und Kliniken stellen die Bedrohungen durch schwer psychisch Erkrankte oft eine Herausforderung dar: Laura, die nicht mit vollem Namen genannt werden möchte, ist mit einem Vater aufgewachsen, der an einer bipolaren Störung erkrankt ist: "Ich habe mich oft sehr alleine und hilflos gefühlt", sagt sie. Sie habe in der Vergangenheit mehrfach eine psychiatrische Unterbringung ihres Vaters angeregt, sich dabei aber oft unverstanden gefühlt. Dabei habe der Vater wiederholt sich selbst und andere in Gefahr gebracht. Laura wünscht sich eine bessere Unterstützung und Einbeziehung von Angehörigen.

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 09.02.2025 | 19:30 Uhr

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