Notruf wegen Schnupfen: Was Rettungsdienste ans Limit bringt
Der Rettungsdienst wird wegen Grippesymptomen gerufen, die Notaufnahmen verstopfen. Die Folge: Rettungsdienste finden oft keine Klinik, die noch Patienten aufnehmen kann. Jetzt soll eine Reform Abhilfe schaffen.
Zwei Einsätze haben Michéle Küthe und Sharleen Kother an diesem Vormittag bereits hinter sich. Die beiden Notfallsanitäterinnen der Malteser-Rettungswache in Wildeshausen im Landkreis Oldenburg mussten zunächst zu einem Schlaganfall ausrücken: "Da wurden wir leider sehr spät informiert, nämlich erst nach 24 Stunden." Der zweite Einsatz: "Schnupfen", sagen die beiden und zucken mit den Schultern.
Verstopfte Notaufnahmen wegen Grippesymptomen
Momentan wählen immer wieder Menschen mit Grippesymptomen die Notrufnummer - auch wenn Fieber, Husten und eine laufende Nase kein Fall für den Rettungswagen sind. Rettungsdienstleiter Frank Flake hat einerseits Verständnis für die Patienten - viele würden keinen Hausarzt finden. Andererseits: "Solche Fälle verstopfen die Notaufnahmen und wir werden unsere Patienten nicht mehr los, weil die Krankenhäuser sich abmelden, also keine neuen Fälle mehr aufnehmen können."
Eine Stunde Fahrt keine Seltenheit
Mitunter fahren die Besatzungen des Wildeshauser Rettungswagens bis nach Vechta oder Osnabrück, um einen Patienten einzuliefern, weil in der Nähe kein Bett mehr frei ist. Das bedeutet: rund eine Stunde Fahrt pro Tour - zusätzlich zu der Zeit, die das Rettungsteam mit der Suche nach einem freien Bett verbringt. "Das heißt, dass der Rettungswagen stundenlang mit einem Patienten beschäftigt ist und dann natürlich hier im Einsatzgebiet fehlt", sagt Flake. Diese Situation sei keine Ausnahme, sondern komme fast täglich vor, und zwar nicht nur in Wildeshausen, sondern in ganz Deutschland. Vor allem natürlich in ländlichen Gebieten. Durchaus mit fatalen Konsequenzen für Patienten, die dringend Hilfe benötigen.
In vielen Fällen hilft die 116 117
Konkrete Zahlen zur Situation in den Notaufnahmen des Nordens gibt es vom Land Niedersachsen nicht - wohl aber den Willen, etwas an der Situation zu ändern. Unter anderem mit Aufklärung: Die 112 sei die Nummer für lebensbedrohliche Notfälle. Für alles andere erreicht man den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst unter 116 117.
Landesregierung arbeitet an Reformen
Ab diesem Jahr soll der Bereitschaftsdienst der kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen Stück für Stück reformiert werden. "Ein wesentlicher Kernpunkt ist, dass alle Anrufenden bei Bedarf zukünftig zuerst per Telefon oder Video mit einem Arzt/einer Ärztin verbunden werden. Durch diese Gespräche können viele kleinere Notfälle erfahrungsgemäß schon abschließend versorgt werden", heißt es aus dem Gesundheitsministerium.
Entlastung des Rettungsdienstes
Das Innenministerium erarbeitet derweil ein Konzept, das alle Rettungsleitstellen der 112 an die Nummer des Bereitschaftsdienstes für die digitale Fallübergabe anbindet. Sprich: Beide Stellen können dann gemeinsam ermitteln, ob der Patient ein echter Notfall ist und wie er versorgt werden kann. "Dies soll langfristig sowohl zu einer Entlastung des Rettungsdienstes als auch der Notaufnahmen führen", so das Ministerium. Auch eine Notfallreform auf Bundesebene war geplant - wegen der Neuwahlen liegt sie momentan aber auf Eis.
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