Niedersachsens Milchbauern sehen Weidehaltung in Gefahr
Milch von Kühen, die einen großen Teil ihres Lebens auf der Weide sind, könnte in Zukunft von Kunden im Supermarkt nicht mehr als solche erkannt werden. Das befürchtet ein breites Bündnis in Niedersachsen.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist es schon jetzt nicht gerade einfach: Wer im Supermarkt Milch kauft, findet auf den Verpackungen häufig bis zu fünf unterschiedliche Label zu Tierschutz und Nährwerten. Vor allem beim Thema Tierwohl gibt es eine Flut von Kennzeichnungen - eine von ihnen ist das "Haltungsform-Label", das maßgeblich vom Lebensmittel-Einzelhandel entwickelt wurde. Es ist freiwillig und umfasst die Stufen eins - gesetzlicher Mindeststandard - bis vier - Premium beziehungsweise Bio.
Landwirte sehen Verbrauchertäuschung
Milch, die die vergleichsweise strengen Kriterien des Labels "Pro Weidemilch" erfüllt, wird aktuell mit der Haltungsform drei beworben - salopp gesagt: fast Premium. Zum Sommer will der Einzelhandel sein System allerdings auf fünf Stufen umstellen. Die Pro-Weidemilch-Produkte sollen dann weiterhin der Stufe drei zugeordnet werden. Tierschützer, Landwirte und Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grünen) sprechen angesichts der Pläne von Verbrauchertäuschung. Denn: Stufe drei soll den Titel Milch aus "Frischluftstall" tragen und auch Betriebe umfassen, die ihre Tiere keinen einzigen Tag im Jahr auf die Weide schicken.
Kritik: Weidemilch in Label nicht erkennbar
Für Verbraucherinnen und Verbraucher sei "echte" Weidemilch in dieser Gruppe überhaupt nicht mehr erkennbar, so die Kritik. Die Landwirte sehen darüber hinaus auch einen drohenden finanziellen Schaden. Wenn Kunden nicht erkennen könnten, dass Milch tatsächlich von Kühen aus Weidehaltung stamme, dann seien sie auch nicht bereit, mehr dafür zu zahlen. Und dann zahle auch der Handel den Landwirten nicht mehr für ihr Produkt, so die Befürchtung. Dabei sei Weidehaltung teurer als reine Stallhaltung, der Aufwand deutlich größer.
Bündnis fordert Stufe vier für Weidemilch
In ungewohnter Einigkeit haben sich Bauernverbände, Tier- und Umweltschützer sowie Ministerin Staudte jetzt mit einem gemeinsamen Brief an die Verantwortlichen von "haltungsform.de", gewandt. Die Forderung: Die Milch der rund 1.500 Pro-Weideland-Betriebe in Niedersachsen müsse der Stufe vier mit dem Titel "Auslauf/Weide" zugeordnet werden. Geschehe das nicht, würden in Zukunft immer weniger Kühe auf der Weide gehalten, fürchtet die Tierschutzorganisation ProVieh. Schon jetzt komme bundesweit nur ein Drittel der Milchkühe auf die Weide, in Niedersachsen allerdings etwas mehr.
Label argumentiert, Weidemilch erfülle Kriterien nicht
Bei "haltungsform.de" heißt es auf Anfrage des NDR Niedersachsen, dass die Argumente von "Pro Weideland" noch in den entsprechenden Gremien diskutiert würden. Für eine Einstufung der Milch in die höhere Gruppe vier fehle den Weideland-Höfen bisher ein zusätzlicher Auslauf für die Tiere an den Tagen, an denen sie nicht auf der Weide sind. Ein Laufstall reiche nicht.
Einheitliches staatliches Label für Milch soll kommen
Hinter "haltungsform.de" steckt ein Zusammenschluss aus Fleischwirtschaft und Lebensmittel-Einzelhandel - auch der Deutsche Bauernverband ist dabei. Die niedersächsischen Milchbauern hoffen, dass ihre Einwände noch gehört werden. Ein einheitliches staatliches Label für Milch lässt derweil weiter auf sich warten. Ministerin Staudte verweist darauf, dass jetzt immerhin die verpflichtende Kennzeichnung für Fleischauf den Weg gebracht werde. Die Milch soll folgen.