Mehr Tierwohl - aber wie? Putenhalter kritisieren Baurecht
Deutschlands größter Putenvermarkter Heidemark möchte, dass seine Tierhalter auf die eigene Haltungsform 3 umrüsten. Auch Betriebe in Niedersachsen scheitern dabei an der Bürokratie und an nicht einheitlichen Regelungen.
Annette Wilking ist frustriert. Sie und ihre Familie haben in Langförden (Landkreis Vechta) 70 Hektar Ackerland, Mastschweine und Mastputen. Für ein verbessertes Tierwohl wollen sie ihre vier Putenställe gerne um Wintergärten erweitern. Vor einem Jahr haben die Landwirte dafür einen Architekten beauftragt. Bevor der den Bauantrag offiziell stellte, fragte er beim Landkreis nach. Doch dort habe es geheißen: keine Chance auf eine Genehmigung. Also reichen die Wilkings den eigentlichen Antrag gar nicht erst ein. Ähnlich geht es auch anderen Betrieben. Laut Heidemark sind bisher nur zehn bis fünfzehn Prozent der deutschen Vertragspartner in der eigenen Haltungsform 3. Das Ziel sei es aber, überall dieses Niveau zu erreichen.
Es fehlen einheitliche Standards für die Tierhaltung
Vom zuständigen Landkreis Vechta heißt es, es fehle die rechtliche Grundlage für die Genehmigung des Anbaus. Der Hintergrund: Auf landwirtschaftlichen Gewerbeflächen müssen alle Baumaßnahmen genehmigt werden. Welche Stallung welcher Haltungsform entspricht, regelt das neue sogenannte Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, das im Oktober 2023 in Kraft getreten ist. Damit soll es ein bundesweit einheitliches Label für die Haltungsform geben. Doch das ist noch nicht vollständig ausgearbeitet, definiert bislang nur die Schweinemast. Bis dahin gibt es nur vermarktereigene Kennzeichnungen. Haltungsform 3 von Heidemark bedeutet: 30 Prozent weniger Tiere pro Quadratmeter Fläche und ein Außenklimabereich. Bei anderen Vermarktern kann das aber anders aussehen.
Innenliegende Wintergärten statt Anbau als Übergangslösung
Baudezernent Benedikt Beckermann vom Landkreis Vechta sieht trotzdem eine Möglichkeit, wie Betriebe schon jetzt auf Haltungsform 3 umstellen können. Denn ein Problem bestehe nur, wenn Betriebe mehr Fläche anbauen, den Betrieb also erweitern wollen. Ein Umbau hingegen könne genehmigt werden. Um auf Haltungsform 3 zu kommen wäre es also möglich, einen Wintergarten mit entsprechenden Öffnungen in den schon bestehenden Stall einzubauen. Was allerdings immer bedacht werden müsse, wenn Ställe geöffnet würden, sei der Emissionsschutz.
Vor zehn Jahren war alles besser?
Bei Familie Wilking wären die Emissionen kein Problem: Die vier Ställe haben bereits offene Gitterfenster, außerdem wollen sie die Zahl der momentan 26.000 Puten reduzieren. Was die Landwirte an der Diskussion aber zusätzlich ärgert: Bis 2013 wäre ihr geplanter Anbau wohl ohne größere Probleme genehmigt worden. Aber dann wurde das entsprechende Gesetz geändert. Jetzt heißt es also erstmal Abwarten. Doch auch wenn der Frust bei den Wilkings an manchen Tagen überwiegt: Sie wollen weiter dranbleiben.