Headbanging mit Rollator: Senioren besuchen Reload-Festival
Das Reload-Festival in Sulingen (Landkreis Diepholz) läuft seit Donnerstag. 12.500 Metal-Fans rocken drei Tag lang. Darunter auch Seniorinnen und Senioren aus dem naheliegenden Pflegeheim.
Zeigefinger und kleiner Finger in die Höhe: Das klappt bei allen, auch wenn der ein oder andere Finger nicht mehr ganz gestreckt werden kann - die "Pommesgabel" sitzt. Schließlich hätten die Seniorinnen und Senioren sie in den letzten Tagen mehrfach geübt, erzählt die Leiterin des Pflegeheims Kirchdorfer Heide Tanja Siewert. Sie und ihre Kollegen begleiten die acht Bewohner samt Rollstuhl und Rollator auf das Festivalgelände. Die gesamte Gruppe trägt zudem ein T-Shirt mit einem aufgedruckten Löwen mit Hörnern. Das Logo des Sulinger Festivals.
Hella Klemenski hört eigentlich klassische Musik
Unter den acht Bewohner ist auch Hella Klemenski - 89 Jahre alt und bisher kein Metal-Fan. Privat höre sie Klassik, sagt sie und schiebt mit ihrem Rollator auf das Gelände. Direkt an der Ecke der Bühne bleibt die Gruppe stehen. Dort hängen auch die großen Lautsprecher. Was die Pflegeheimbewohner noch zu spüren bekommen werden. Die Band "Infected Rain" fängt an. Nach kurzem Intro wummert der Bass tief in der Magengrube, auch bei Hella Klemenski. Erschrocken hält sie sich die Ohren zu: "So habe ich mir das nicht vorgestellt. Umwerfend. Das schlägt aber auf den Magen." Leiterin Tanja Siewert eilt zur Hilfe und verpasst ihr Ohrstöpsel.
Besuch bei Reload Festival war Idee von Pflegerin
Die Idee, das Festival zu besuchen, habe eine Mitarbeiterin gehabt, sagt Tanja Siewert. Sie freut sich: "Wenn ich so in die Gesichter gucke, so viel lächeln, so viel Erstaunen. Ich finde, das hat sich gelohnt. Das war eine richtig gute Idee." Werner Focker, Mit-Organisator des Festivals, ist von dem Besuch der Bewohner begeistert: "Mich freut es sehr, dass die alten Leute so offen sind, dass sie sich das angucken. Sie werden nachher nach Hause gehen und da Wochen und Monate davon erzählen und feststellen, was Metal-Fans für friedliche Menschen sind." Hella Klemenski hat den Schock der ersten paar Minuten überwunden und die Ohrstöpsel wieder aus den Ohren genommen. "Sonst höre ich ja gar nichts," sagt sie und lacht.
Bald Metal statt Klassik im Pflegeheim?
Tanja Siewert verteilt Wasser an alle. Später gebe es vielleicht auch noch ein Bier, sagt sie. Hella Klemenski ist inzwischen begeistert vom Festival - vor allem von den Besuchern. "Alles ist wie losgelöst. Die Menschen sitzen hier auf dem Rasen. Alle haben ein Lächeln im Gesicht. Hier möchte ich bleiben", sagt die 89-Jährige. Vielleicht läuft also auch bei ihr im Pflegeheim demnächst Metal, damit sich alle Bewohner an diesen Sommertag erinnern können.