Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette in Untersuchungshaft
Zielfahnder des LKA Niedersachsen haben die mutmaßliche frühere RAF-Terroristin Daniela Klette am Montagabend in Berlin festgenommen. Ein am Dienstag in Berlin festgenommener Mann ist wieder frei.
Daniela Klette hatte nach Angaben des Landeskriminalamts (LKA) Niedersachsen unter falscher Identität in einer Wohnung in Berlin gelebt. Dort wurde sie am vergangenen Sonntag von Zielfahndern entdeckt. Nachbarn zufolge soll die 65-Jährige unter dem Namen Claudia 20 Jahre lang in Berlin gelebt haben. Um Geld zu verdienen, soll sie privaten Nachhilfeunterricht in Mathematik gegeben haben. Aufgrund von Fingerabdrücken konnte Klettes Identität laut LKA bestätigt werden. Seit mehr als 25 Jahren hatte die Polizei nach Daniela Marie Luise Klette sowie dem 69 Jahre alten Ernst-Volker Staub und dem 55-jährigen Burkhard Garweg gesucht.
Zweiter Festgenommener kein RAF-Verdächtiger
Die Suche nach Staub und Garweg läuft weiter. Laut LKA gab es am Dienstag eine weitere Festnahme im Zusammenhang mit der Fahndung nach dem Ex-RAF-Trio. Es handele sich um einen Mann im "gesuchten Alterssegment", sagte LKA-Präsident Friedo de Vries am Dienstagnachmittag. Nachdem die Identität des Mannes überprüft wurde, steht inzwischen fest: Bei dem Festgenommenen handelt es sich nicht um einen der beiden gesuchten früheren RAF-Terroristen Burkhard Garweg oder Ernst-Volker Staub. Das teilte das Landeskriminalamt am Mittwochmorgen mit. Der Mann wurde aus den polizeilichen Maßnahmen entlassen. Zuletzt hatte es vor zehn Tagen einen Fehlalarm gegeben: In einem Regionalzug nach Wuppertal wurde ein Mann fälschlicherweise für Ernst-Volker Staub gehalten.
Pistolenmagazine und Munition sichergestellt
Die Festnahme von Klette erfolgte laut LKA mit Unterstützung der Berliner Polizei. Während des Zugriffs sei die Gesuchte allein in der Wohnung gewesen und habe keinen Widerstand geleistet. Bei der Durchsuchung von Klettes Wohnung wurden am Dienstag unter anderem zwei Pistolenmagazine sowie Munition sichergestellt. Die dazugehörige Waffe sei bislang nicht gefunden worden, so die Ermittler. Der entscheidende Hinweis, der zur Festnahme von Klette führte, kam laut LKA im November 2023 aus der Bevölkerung.
Kein Widerstand bei Festnahme - kommt Kronzeugen-Regelung infrage?
Nach der Festnahme wurde Klette zunächst in Begleitung eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) aus Niedersachsen mit einem Hubschrauber nach Bremen geflogen. Von dort wurde sie von Spezialkräften der Polizei mit einem Auto nach Verden gebracht und dort einem Haftrichter vorgeführt. Dabei habe Klette sich nicht zur Sache geäußert, sagte eine Sprecherin des niedersächsischen Justizministeriums. Es bleibe abzuwarten, ob sie sich im Laufe der nächsten Tage und Wochen einlassen werde. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Verden war am Dienstag Haftbefehl ergangen. Nach NDR Informationen wurde Klette anschließend zur Untersuchungshaft in eine Justizvollzugsanstalt gebracht. Staatsanwalt Clemens Eimterbäumer sagte am Dienstag, dass für Klette auch eine Kronzeugen-Regelung infrage kommen könnte. Voraussetzung sei, dass sie Hinweise liefere, die zur Festnahme der gesuchten mutmaßlichen Komplizen Staub und Garweg führen.
Innenministerin Behrens betont Leistung der Ermittler
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens bezeichnete die Festnahme am Dinestag als "Meilenstein in der deutschen Kriminalgeschichte". "Es handelt sich für die Polizei Niedersachsen unbestritten um einen der größten Fahndungserfolge der vergangenen Jahrzehnte", so die SPD-Politikerin. Die Festnahme "einer Terroristin, die seit über 30 Jahren im Untergrund lebt", stärke das Vertrauen in den Rechtsstaat.
Wahlmanns Botschaft an Terroristen: "Ihr werdet nicht sicher sein"
Auch Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) lobte die Arbeit der Ermittlungsbehörden. "Egal, wie lange die Taten zurückliegen. Die Täter können sich nie sicher sein", sagte Wahlmann. Die Ermittlungsbehörden ließen nie locker. Das sei ein wichtiges Zeichen für die Opfer, denen nun endlich Gerechtigkeit zuteil werde. An die Täter gerichtet sagte Wahlmann: "Wir werden eure Straftaten weiterhin verfolgen. Ihr werdet nicht sicher sein. Unser Rechtsstaat wird nicht lockerlassen." Die Justizministerin zeigte sich zuversichtlich, nach der Festnahme von Klette auch die beiden weiteren Beschuldigten zu fassen.
Terrorgruppe RAF: Wer war die "dritte Generation"?
Das Trio Klette, Garweg und Staub zählte bis zur Auflösung der Roten Armee Fraktion (RAF) im Jahr 1998 zur sogenannten dritten Generation. Über die verschiedenen Generationen der Terrorgruppe sagte der Journalist und RAF-Experte Stefan Aust am Dienstagabend im ZDF-"heute journal", die zweite Generation habe versucht, die erste aus dem Gefängnis zu befreien. "Als das nicht funktioniert hat, gab es dann die dritte Generation, und die haben eines getan, nämlich schlichtweg Morde begangen. Sie haben Leute einfach erschossen oder haben ihnen Fallen gestellt." Laut Bundesanwaltschaft gehen 10 der 34 Morde der RAF auf das Konto der dritten Generation.
Mutmaßliches RAF-Trio: Tatorte auch in Niedersachsen
Zuletzt hatten Ermittler in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" die Bevölkerung erneut dazu aufgerufen, Hinweise zu den Gesuchten zu geben. Der entscheidende Hinweis, der zur Festnahme führte, steht den Ermittlern zufolge jedoch nicht im Zusammenhang mit der Sendung. Die Behörden werfen Staub, Klette und Garweg versuchten Mord und eine Serie versuchter und vollendeter schwerer Raubüberfälle in den Jahren 1999 bis 2016 vor. Die Tatorte sind den Angaben zufolge in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die Justiz in Verden ermittelt gegen das Trio unter anderem wegen schwerer Überfälle auf Geldtransporter in Wolfsburg, im Landkreis Diepholz und im Landkreis Wolfenbüttel. Mit den Überfällen soll das seit mehr als 30 Jahren flüchtige Trio sein Leben im Untergrund finanzieren.
Hier wurde das Ex-RAF-Trio seit 2006 in Niedersachsen vermutet
- 07./08.04.2009: Entwenden eines Fahrzeugs von einem Parkplatz in der Brandenburger Straße in Osnabrück.
- 02.01.2015: Raubüberfall auf einen "Kaufland"-Markt in Osnabrück
- Ende 2014 und Anfang 2015: Kauf der späteren Tatfahrzeuge für die Tat in Groß Mackenstedt (Landkreis Diepholz). Der Käufer nannte sich Michael Jansen, kam mehrmals zu Fuß und zahlte bar.
- 06.06.2015: Versuchter Mord/versuchter schwerer Raub in Groß Mackenstedt. Das Fluchtfahrzeug wurde drei Kilometer entfernt von der Anschlussstelle Groß-Ippener abgestellt.
- September 2015: Kauf eines blauen Ford Focus in Ronnenberg (Region Hannover).
- November 2015: Kauf eines grünen VW Golf Variant in Celle. Der Käufer erschien jeweils zu Fuß und zahlte bar. Er nannte sich Robert Hagen.
- 28.12.2015: Raubüberfall auf einen Geldtransporter beim Real-Markt in Wolfsburg-Nordsteimke. Die Täter flüchteten mit einem blauen Ford Focus mit Wolfsburger Kennzeichen. Ein grüner Golf Variant mit Wolfsburger Kennzeichen wurde am Tatort zurückgelassen. Der Ford Focus wurde am Folgetag ohne Kennzeichen und mit einem Tarnnetz abgedeckt in einem Waldstück in Volkmarsdorf gefunden.
- 22.04.2016: Kennzeichendiebstahl in Diekholzen (Landkreis Hildesheim).
- 07.05.2016: Raubüberfall auf einen Rewe-Markt in Hildesheim. Das Fluchtfahrzeug VW Polo wurde am Tattag ohne Kennzeichen zehn Kilometer entfernt in einem Waldstück zwischen den Orten Ottbergen und Wöhle gefunden.
- 25.06.2016: Raubüberfall auf einen Geldtransporter in Cremlingen (Landkreis Wolfenbüttel). Als Tatfahrzeuge wurden ein silberner Ford Mondeo mit Doublettenkennzeichen und ein blauer Opel Corsa mit falschem Kennzeichen genutzt.
Spuren deuten auf Klettes Anwesenheit in Bad Kleinen hin
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) steht Klette auch im Verdacht, an einem Schusswaffen-Angriff auf die US-Botschaft in Bonn 1991 beteiligt gewesen zu sein, ebenso wie an einem Sprengstoffanschlag auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt 1993. Spuren deuteten außerdem darauf hin, dass sie bei der missglückten Anti-Terror-Aktion 1993 in Bad Kleinen in Mecklenburg-Vorpommern am Tatort war. Bei der Aktion starben der Polizist Michael Newrzella und das RAF-Mitglied Wolfgang Grams. Die frühere RAF-Terroristin Birgit Hogefeld wurde verhaftet.