Eltern empört: Kita-Essen für Kinder mit Behinderung teurer
In Weyhe (Landkreis Diepholz) fühlen sich Eltern von Kindern mit Beeinträchtigung diskriminiert. Sie müssen mehr Geld für das Kita-Essen zahlen als Eltern anderer Kinder. Grund ist eine andere Berechnungsgrundlage.
Claudia Schöne ist Mutter eines fünfjährigen und eines dreijährigen Kindes. Der ältere Sohn hat eine schwere Behinderung. Beide Kinder gehen nacheinander in denselben Kindergarten. Doch als der jüngere Sohn 2021 in die Einrichtung kommt, fällt Schöne direkt ein Unterschied auf: Für ihren Sohn mit Schwerbehinderung zahlt sie damals laut Bescheid fünf Euro pro Monat mehr für das Essen in der Einrichtung. Sie fragt beim Landkreis nach und bekommt eine Antwort, die nach ihr noch zahlreiche weitere betroffene Eltern bekommen werden: Der Grund für die Mehrkosten sei die unterschiedliche Berechnung, heißt es darin.
Landkreis bestätigt Unterschiede beim Verpflegungsgeld
Normalerweise zahlen Eltern oder Sorgeberechtigte für ein Kind Essensgeld. Bei einem Integrationskind liegt allerdings die häusliche Ersparnis zugrunde. Das bedeutet: Wenn das Kind in der Kita ist, fallen zu Hause weniger Kosten an. Neben Lebensmittel geht es dabei auch um sämtliche Nebenkosten wie zum Beispiel für Strom und Wasser. Laut Landkreis Diepholz wird das alles ordnungsgemäß berechnet und kreisweit über einen Pauschalbetrag erhoben. Inzwischen liegt der monatlich 18 Euro über dem Essensgeld, das Eltern sonst für ihre Kinder bezahlen.
"Wir wollen nur genau das Gleiche!"
Die häusliche Ersparnis ist unabhängig davon, in welcher Höhe der Kindergarten ein Essensgeld erhebt. In manchen Gemeinden könnte es also sein, dass Eltern mit beeinträchtigten Kindern weniger bezahlen, weil das Essensgeld teurer ist. Für Jennifer Brentel, ebenfalls Mutter eines behinderten Kindes, ist das ein Unding. Man wolle nicht bessergestellt werden, aber eben auch nicht schlechter. "Wir wollen eigentlich nur genau das Gleiche", sagt Brentel. Sie ist Mitglied im Kreisbehindertenrat und hat das Gefühl, der Landkreis wolle das Thema unter den Tisch kehren.
Grundlage: 323 Betreuungstage im Jahr
Nicht nur die Ungleichbehandlung wirft viele Fragen bei den Eltern auf, sondern auch die Grundlage, die zur Berechnung angesetzt wird. Laut Landkreis sind das 323 Betreuungstage. Die Berechnung erfolge seit vielen Jahren entsprechend den Vorgaben des Landes und basiere auf einer Schließzeit von sechs Wochen pro Jahr. Brentel hat nachgerechnet: Mit Schließzeiten und Feiertagen käme keine der Kindergartengruppen auf diese Zahl. Katharina Pache, ebenfalls pflegende Mutter, hat den Eindruck, wenn man beim Landkreis genauer nachfrage, dann werde das als Belästigung wahrgenommen.
Ministerium hat Situation überprüft
Auch auf Landesebene ist der Sachverhalt bereits angekommen. Laut dem Landtagsabgeordnetem Dennis True (SPD) aus dem Wahlkreis Syke hat das zuständige niedersächsische Ministerium die Vorgehensweise in Weyhe geprüft. Rechtlich sei die Situation komplex, heißt es. Bis 2019 war das Land für die Regelungen zuständig. Inzwischen liegt das in der Verantwortung der Landkreise und kreisfreien Städte. Der Landkreis Diepholz habe die bisherigen Regelungen weitergeführt. Dagegen sei grundsätzlich nichts einzuwenden, heißt es. Allerdings: "Die Situation kann von den Eltern als nicht sachgerecht empfunden werden."
Bald sind Kindergärten selbst zuständig
Ab August soll sich laut Landkreis aber alles ändern: Den Einrichtungen soll es dann freigestellt werden, ob sie das Essensgeld selbst erheben. Dies werde in Weyhe der Fall sein, so eine Sprecherin. Damit ist der Landkreis nicht mehr dafür zuständig und alle Kinder werden denselben Betrag zahlen. Den entsprechenden Bescheid haben die betroffenen Eltern noch nicht erhalten. Um die Mehrkosten, die über Jahre entstanden sind, zurückzubekommen müsste man vor Gericht gehen, meint Brentel. Dafür fehle ihr und auch ihren Mitstreiterinnen aber die Zeit, die Kraft und auch die finanziellen Ressourcen.
Betroffene wünschen sich mehr Verständnis
Brentel wünscht sich bis heute einfach eine Erklärung und Antworten auf ihre vielen Fragen. Anderen hätte es geholfen, neben zahlreichen Paragrafen und Auszügen aus Gesetzestexten auch mal ein verständnisvolles Wort zu hören. Eines haben sie alle gemeinsam: Auch wenn in Zukunft alle Kinder dasselbe für Essen bezahlen werden, das Gefühl, über Jahre benachteiligt worden zu sein, das wird bleiben.