Chemische Pestizide: Muss Einsatz bald halbiert werden?
Das EU-Parlament will in dieser Woche darüber entscheiden, ob der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel um 50 Prozent reduziert wird. Niedersachsens Landwirte schlagen Alarm.
Ein Begriff bringt Landwirtinnen und Landwirte momentan so richtig in Rage: Sustainable Use Regulation (SUR), zu Deutsch: Pflanzenschutzmittel-Reduktionsstrategie. Die Verordnung ist Teil des so genannten "European Green Deal", der vereinfacht gesagt mit verbindlichen Vorgaben für mehr Biodiversität sorgen will. Der Entwurf sieht vor, dass in der EU der Einsatz von Pestiziden bis zum Jahr 2030 halbiert wird. In dieser Woche will der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments mit einer neuen Pflanzenschutzverordnung eine Entscheidung fällen.
In einigen Gebieten dürfte gar nicht mehr gespritzt werden
"Der Entwurf in seiner jetzigen Form muss vom Tisch", fordert Detlef Kreye vom Kreislandvolkverband Oldenburg. Was ihn besonders aufregt: Der Entwurf sieht vor, dass in sogenannten sensiblen Gebieten gar kein chemisch-synthetischer Pflanzenschutz mehr verwendet werden darf, also etwa in Wasser- oder Landschaftsschutzgebieten. "Allein im Landkreis Oldenburg liegen rund 30 Prozent aller landwirtschaftlich genutzten Flächen in solchen Gebieten", so Kreye. Wenn Landwirte dort nichts mehr gegen Unkräuter oder Pilzbefall unternehmen könnten, sei die Versorgung mit regionalen Lebensmitteln ernsthaft in Gefahr.
Brief an Vizepräsidentin des EU-Parlaments
Um die neue Richtlinie noch abzuwenden, hat sich der Deutsche Bauernverband mit einem dreiseitigen Brief an die deutsche Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katharina Barley, gewandt. Darin weist der Bauernverband darauf hin, dass die deutschen Landwirte den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln trotz steigender Erträge erheblich gesenkt hätten - auch dank moderner Techniken wie zielgerichteter Ausbringung der Mittel und künstlicher Intelligenz. Der Entwurf zur neuen Pflanzenschutzverordnung allerdings sei ein Vorschlag, "der die bisher erbrachten Leistungen in keiner Weise honoriert, intelligente Lösungen ignoriert und auch für ein partnerschaftliches Miteinander keinerlei Basis bietet. Stattdessen sollen pauschale Verbote und starre, unrealistische Zielvorgaben verordnet werden", heißt es in dem Schreiben.
Umweltverbände begrüßen die EU-Pläne
Beifall für die europäische Verordnung kommt derweil von den Umweltverbänden. NABU und BUND sehen in chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln einen der Hauptverursacher für den Verlust der Biodiversität. "Viele der eingesetzten Chemikalien sind hochgiftig, schädigen die Artenvielfalt, sind krebserregend oder sogar hormonell wirksam", so der BUND Niedersachsen. Herbizide wie beispielsweise Glyphosat töteten alle Ackerwildkräuter ab, so dass blütensuchende Insekten keine Nahrung mehr fänden.
Die Zulassung von Glyphosat allerdings hat die EU gerade in der vergangenen Woche noch einmal um zehn Jahre verlängert - sehr zum Ärger der Umweltverbände und des deutschen Landwirtschaftsministers Cem Özdemir (Grüne). Er will den Bio-Markt fördern, bis zum Jahr 2030 soll ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen ökologisch bewirtschaftet sein. Das wäre knapp dreimal so viel wie bisher.
Damit Landwirte den Schritt hin zu weniger chemisch-synthetischem Pflanzenschutz und mehr Biolandwirtschaft wagen, fordern Umweltverbände weitreichende Unterstützung für Bäuerinnen und Bauern.