Die Kinderärztin Anne Kistner-Peters untersucht ein Baby, dessen Mutter neben ihr steht. © NDR Foto: Catherine Grim

Besser spät als nie: Mit 48 Jahren frischgebackene Kinderärztin

Stand: 23.01.2025 15:25 Uhr

Anne Kistner-Peters hat sich ihren Traum erfüllt: Mit 41 Jahren ging sie noch einmal an die Universität für ein Medizinstudium. Nun ist sie Ärztin geworden. Dass sie sechs Kinder hat, hat ihr dabei geholfen.

von Catherine Grim

Baby Lada schaut die Ärztin mit dem Stethoskop um den Hals aus großen Augen an. Das zehn Wochen alte Baby ist zur Untersuchung da - und Anne Kistner-Peters schaut, ob mit ihm alles in Ordnung ist. Seit Anfang des Jahres arbeitet Anne Kistner-Peters in der Kinderarztpraxis. Gerade erst hat sie ihr Medizin-Studium beendet: Mit 48 Jahren.

Ärztin: Medizin war schon immer ihr Traum

Die Kinderärztin Anne Kistner-Peters mit ihre gesamten Familie. © NDR Foto: Catherine Grim
Die Familie von Anne Kistner-Peters.

"Es ist genau das, was ich immer machen wollte", erzählt sie. Trotzdem entschied sie sich nach ihrem sehr guten Abitur erst einmal für eine Ausbildung als Erzieherin. "Mir war klar, dass ich eine Familie haben wollte. Und zwar eine große", sagt Kistner-Peters, die mit ihrer Familie in der Wesermarsch wohnt. "Mit einem Medizin-Studium wäre das nicht vereinbar gewesen, auch wegen der Betreuungszeiten." Also bekam sie mit ihrem Mann Tammo Peters sechs Kinder und arbeitete in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung.

Alter Job erfüllt sie nicht

Irgendwann merkte sie aber, dass ihr Job sie nicht mehr ausfüllte. Kurz bevor ihre jüngste Tochter in die Schule kam, reichte sie an der Universität Oldenburg ihre Bewerbungsunterlagen für einen Medizinstudienplatz ein. "Auf einmal hatte ich den Platz", erinnert sie sich. "Das ist wie ein Sechser im Lotto, das wusste ich. Ich habe mir ein Jahr Zeit gegeben, um zu schauen, ob ich es schaffe." Und sie schaffte es, bestand alle Prüfungen, managte nebenbei die Familie, bereitete sich intensiv vor und nach. "Ich war sehr effektiv, prokrastinieren konnte ich mir nicht leisten", sagt sie.

Für die Familie kam es überraschend

Tammo Peters, der Ehemann von der Kinderärztin Anne Kistner-Peters. © NDR Foto: Catherine Grim
Tammo Peters unterstützt seine Frau Anne. Und stolz ist er offenkundig auch auf sie.

Für ihre Familie kam es ein wenig überraschend, dass Anne Kistner-Peters so ein aufwändiges Studium beginnen wollte. "Es war ein bisschen wie beim ersten Kind", erinnert sich ihr Mann Tammo Peters, ein selbstständiger Zimmermann. "Ich dachte mir: Anne, du hast schon so viel erreicht, eine Zusatzausbildung zur Heilpraktikerin gemacht, eine in Osteopathie, und das jetzt auch noch?" Aber gemeinsam schafften sie es.

Die Bezugsperson änderte sich

"Prinzipiell haben sich für uns nur ein bisschen die Bezugspersonen geändert", sagt ihr ältester Sohn Thjark Peters. "Wenn man Probleme hatte, musste man erst mal Papa anfragen, wenn der es dann nicht lösen konnte, dann wurde erst Mama gefragt." Er war 17, als seine Mutter das Studium begann, seine jüngste Schwester Arve sechs. "Wenn Mama gerade lernen war und Papa draußen, hab ich einfach nach meinen Geschwistern gerufen", sagt sie.

Rückhalt durch die Familie

Die 13-jährige Arve, Tochter der Kinderärztin Anne Kistner-Peters. © NDR Foto: Catherine Grim
Für die Kinder von Anne Kistner-Peters hat sich die Bezugsperson geändert, auch für die 13-jährige Arve.

Die Familie hat ihr den Rückhalt gegeben, den sie brauchte, erzählt Anne Kistner-Peters. "Ich weiß auch gar nicht, ob ich das so geschafft hätte direkt nach dem Abi. Medizin ist sehr anstrengend, arbeitsintensiv und auch emotional nicht einfach. Ich weiß nicht, ob ich das früher so ausgehalten hätte, wie ich das jetzt kann." Auch in ihrer Arbeit als Assistenzärztin in Weiterbildung hilft ihr die Erfahrung mit ihrer eigenen Familie. "Ich kann die Entwicklung von Kindern viel besser einschätzen und viel besser mit ihnen umgehen", sagt sie. Daniel Krause, der Arzt ihrer eigenen Kinder und nun ihr Chef, ist begeistert: "Vor Beginn ihres Studiums haben wir schon einmal über ihre Pläne gesprochen. Und dass sie es dann tatsächlich so durchgezogen hat und hier angefangen hat, hat mich positiv überrascht."

Immer weiter am Traum festhalten

Anne Kistner-Peters war an der Uni die Älteste in ihrem Jahrgang, die das Studium erfolgreich abgeschlossen hat. Und sie hat noch weitere Pläne. Neben Kindermedizin möchte sie sich noch in Notfallmedizin weiterbilden und fängt im Februar mit einer halben Stelle in einer Klinik an. Denn - das hat sie gelernt - für einen Traum ist es nie zu spät.

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