Baby bei Geburt gestorben: Hebamme zu Haftstrafe verurteilt
Das Landgericht Verden hat eine 61-jährige Hebamme wegen Totschlags durch Unterlassen zu vier Jahren Haft verurteilt. Sie hatte eine Hausgeburt betreut, bei der das Baby nicht überlebte.
Die Kammer begründete das Urteil am Dienstag damit, dass die Angeklagte bei einer mehrtägigen Hausgeburt im Landkreis Diepholz einen kapitalen Fehler gemacht habe. Dieser habe den Tod eines Kindes verursacht, "das hätte leben können und leben müssen", wie der Vorsitzende Richter sagte. Die Kammer sei überzeugt, dass das Baby an Sauerstoffmangel gestorben sei und weil es eitriges Fruchtwasser eingeatmet hatte. Das kleine Mädchen habe keinerlei gesundheitliche Probleme gehabt, es sei allein durch das falsche Handeln der Hebamme gestorben, so die Kammer. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Hebamme mehrfach gegen medizinische Standards verstieß.
Staatsanwältin: Hebamme hätte Frau ins Krankenhaus bringen müssen
Die Hebamme aus Neustadt am Rübenberge (Region Hannover) stand wegen einer Hausgeburt Anfang 2015 in Siedenburg vor Gericht. Die Staatsanwältin hatte argumentiert, die erfahrene Hebamme hätte die Pflicht gehabt, die Hausgeburt auch gegen den Willen der Eltern abzubrechen. Die gesundheitlich vorbelastete Gebärende hätte - spätestens nachdem die Komplikationen eingesetzt hatten - in eine Klinik gebracht werden müssen, um ihr Leben und das ihres ungeborenen Kindes zu retten. Die Mutter brachte das Kind später tot in einem Krankenhaus in Vechta auf die Welt. Staatsanwaltschaft und Nebenklage (Eltern des Kindes) forderten im Prozess fünf Jahre und acht Monate Haft. Woran das Ungeborene genau gestorben ist, war seinerzeit nicht untersucht worden.
Verteidigung hatte Freispruch gefordert
Darauf stützte sich die Argumentation der Verteidigung. Es sei nicht eindeutig bewiesen, woran das Ungeborene gestorben ist. Zudem hätten sich die Eltern geweigert, für die Geburt in eine Klinik zu wechseln. Sie trügen deshalb eine Mitverantwortung für das Geschehene. Der Verteidiger hatte Freispruch gefordert.
Hebamme bedauert tragischen Verlauf
Die Hebamme sagte in ihrem Schlusswort, sie bedauere zutiefst, dass die Geburt in Siedenburg einen so tragischen Verlauf genommen habe. Sie sei bis zuletzt davon ausgegangen, dass das Kind noch lebe - und habe es ganz sicher nicht darauf angelegt, dass bei einer von ihr betreuten Geburt ein Kind zu Tode komme. Weil der Prozess erst acht Jahre nach dem Tod des Babys begann, erließ das Gericht der Angeklagten sechs Monate Haft. Sie müsse somit nur dreieinhalb Jahre Haft verbüßen, sagte eine Gerichts-Sprecherin. Zum Zeitpunkt des Vorfalls war die Zulassung als Hebamme der Angeklagten bereits widerrufen. Entzogen war sie jedoch noch nicht, weil die Frau dagegen geklagt hatte. Der Widerruf wurde 2017 rechtskräftig. Seitdem hat die Frau keine Zulassung mehr als Hebamme.