Mohammad und Abdullah Abd - Die Brüder
Wer die Geschichten von Mohammad und Abdullah Abd hört, staunt: über die Motivation der Brüder aus dem Irak, der eine 24, der andere 17 Jahre alt. Über die Bereitschaft, voranzukommen, auch und gerade als Flüchtling in einem fremden Land. Und er lässt sich vielleicht anstecken von der Lebenslust der beiden, die trotz der vielen Rückschläge weiter ihre Ziele verfolgen - der eine als angehender Student, der andere auf dem Gymnasium.
Den Traum haben wohl alle jungen Menschen: eine eigene Wohnung. Auch die Brüder Mohammad und Abdullah Abd geht es da nicht anders. Doch die Suche nach den eigenen vier Wänden ist mühsam.
Mohammad hat einen neuen Plan: Es ist schwierig für ihn, sein Medizinstudium in Deutschland wieder aufzunehmen. Deshalb will er jetzt ein duales Studium der Betriebswirtschaftslehre beginnen. Dafür sucht er jetzt einen Betrieb. Am liebsten würde er in einem Unternehmen arbeiten, dass international tätig ist. Schließlich spricht er Arabisch, Englisch, Russisch und Deutsch.
"Es geht nicht, eine Stadt in einem Jahr wieder aufzubauen", sagt Abdullah. Gemeint ist das zerstörte Mossul, die Heimat der beiden Brüder. Sie ist im Moment quasi das Hauptquartier des IS. Der Gedanke, wieder dorthin zurück zu müssen, macht den jungen Männern Angst. Der Grund: Ihr Asylantrag wurde abgelehnt. Doch sie dürfen zunächst ein weiteres Jahr bleiben, dann wird geprüft, ob die Situation im Irak weiterhin gefährlich ist. Wie gehen die Brüder damit um?
Gastfamilie Berndt ist aus dem Urlaub zurück. Mohammad und Abdullah haben den Tisch gedeckt mit vielen süßen Sachen. Gemeinsam feiern sie das Zuckerfest zum Ende des Ramadan.
Mohammad und Abdullah haben Hunger - es ist Ramadan. Ihrer Gastfamilie kommen die beiden gerade sehr antriebslos vor und es gibt im Moment kaum noch Kontakt zu ihnen. Das belastet das Zusammenleben ein wenig.
Besuch in der Gastfamilie: Der Großvater ist da. Und der nimmt sich viel Zeit für Mohammad und seine Sorgen. Auch die älteste Tochter ist nach einem Austauschjahr wieder zu Hause.
Platzt Mohammads Traum vom Medizinstudium? Eigentlich hat er bereits vier Semester hinter sich. Doch sein Abiturzeugnis ist ihm auf der Flucht abhanden gekommen. Und die Studienplätze sind rar:
Wieder in Friedland - Mohammad hofft, dass es das letzte Mal ist. Nachdem Abdullah schon vor einem Monat zur Anhörung hierher musste, ist heute sein älterer Bruder dran. Für den Asylantrag in Deutschland muss Mohammad seine Fluchtgründe darlegen und kritische Fragen des so genannten Entscheiders beantworten.
Am Ostersonntag geht die gesamte Familie Berndt in den Frühgottesdienst um 6 Uhr. Trotz Zeitumstellung und einer Stunde weniger Schlaf kommen Mohammad und Abdullah mit. Die Ausbeute beim Ostereiersuchen entschädigt für das frühe Aufstehen.
Mit ihren Gastgroßeltern besuchen Mohammad und Abdullah zum ersten Mal die deutsche Hauptstadt. Großvater Gottfried erzählt den beiden viel über die Geschichte der Stadt. Besonders das Kapitel der Teilung und der Wiedervereinigung fasziniert sie.
"Es hat mich beeindruckt, wie sie sich durchgebissen haben", sagt ein Zuhörer in Winsen. Dort erzählen Abdullah und Mohammad vor einer großen Gruppe von ihren Erlebnissen auf der Flucht nach Deutschland. Den Mitgliedern des Rotary Clubs geben sie Einblicke, auch sehr persönliche.
Beim Winsenser Aktionstag für den Frieden und gegen Rassismus überrascht Abdullah selbst seinen Gastvater Christian, als er plötzlich neben Pastor Markus Kalmbach auf der Bühne steht und dessen Ansprache auf Arabisch übersetzt.
Der Andrang und das Interesse sind groß. Im Publikum stehen auch Flüchtlinge, die Abdullah noch aus der Unterkunft und dem internationalen Café kennt. In der Rede von Pastor Kalmbach geht es natürlich auch um das Zusammenleben mit den Flüchtlingen. Abdullah nimmt so auf der Bühne zwei Rollen ein - Betroffener und Vermittler zugleich.
Abdullah ist von der Klassenreise zurück. Jetzt muss er zur Anhörung nach Friedland. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge will seine Fluchtgeschichte hören, um über seinen Status in Deutschland zu entscheiden. Ein Tag voller Ungewissheit. Und dann darf Mohammad überraschend bei der Anhörung nicht mit im Zimmer bleiben.
Bei den Abd-Brüdern herrscht in diesen Tagen eine Mischung aus Zuversicht und Unsicherheit. Abdullah, der jüngere der beiden, muss demnächst nach Friedland und dort den Mitarbeitern des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge die Geschichte seiner Flucht erzählen. Eine Chance, endlich in Deutschland anzukommen, findet er. Sein älterer Bruder ist noch skeptisch.
Seit einem halben Jahr besucht Abdullah Abd die Klasse 9 A des Gymnasiums in Winsen. Bald steht die Klassenfahrt nach Österreich an. Kann Abdullah dabei sein? Seine Mitschüler wünschen es sich, denn Abdullah hat längst Freunde gefunden. Doch zunächst muss ein bürokratischer Hürdenlauf zwischen Pflegefamilie, Vormund des Landkreises, Ausländerbehörde und Schule absolviert werden.
Abdullah staunt nicht schlecht, als am Nachmittag plötzlich bunt geschmückte Wagen durch die Innenstadt von Winsen fahren - direkt am Pfarrhaus vorbei. Verkleidet hat er sich dieses Jahr zum Faslam nicht. Aber der Bonbonregen ist eine willkommene Abwechslung an diesem grauen Februartag.
Irgendwann ist immer das erste Mal. Heute versucht Mohammad sich an der Technik der Deutschen Post. Er hat Klara einen Brief geschrieben. Seine "Gastschwester" macht derzeit ein Austauschjahr in Irland. Per Post will Mohammad sich dafür bedanken, dass er und Abdullah in Klaras Zimmer wohnen dürfen. So richtig versteht Mohammad den Briefmarkenautomaten noch nicht. Am Ende ruft er "Gastmutter" Kirsten auf dem Handy an. Sie muss vorbeikommen und helfen.
Mohammad Abd kennt die Arbeit im Krankenhaus bereits aus vier Semestern Medizinstudium. Dabei hat er auch schon mit Patienten gearbeitet. In Winsen macht er jetzt ein Praktikum in der Klinik, darf aber nur Hilfstätigkeiten ausführen, weil ihm die Qualifikationsnachweise fehlen.
Der erste eigenständige Einkauf auf dem Markt in Winsen. Radieschen? Die kannten die beiden Iraker Mohammad und Abdullah bisher nicht. Noch viel verwunderlicher aber finden die beiden, dass in Deutschland das Gemüse auf der Straße verkauft wird. Und auch, dass Frauen hinter dem Verkaufstresen stehen.
Abdullah hat sein erstes Zeugnis bekommen, Gastmutter Kirsten unterschreibt. Zwei Fächer sind in der 9. Klasse des Gymnasiums bereits ganz normal benotet worden: Mathe - 3 / Sport - 1. Ansonsten haben die Lehrer der Sprachlernklasse Beurteilungen geschrieben. Nach den Zeugnisferien geht Abdullah jetzt zu immer mehr regulären Unterrichtsfächern.
Seit drei Monaten leben die Brüder Abd mittlerweile in der Familie von Superintendent Berndt. Sie fühlen sich wohl, auch wenn sie ihre Angehörigen im Irak sehr vermissen. Der Kontakt mit den Eltern via Internet gestaltet sich häufig schwierig.
Heute müssen sich alle in Schale schmeißen: Denn Mohammads und Abdullahs "Gastgroßeltern" - Gottfried und Christa Berndt - feiern ihre Goldene Hochzeit. Nach einem Gottesdienst mit über 100 Freunden und Verwandten tanzt und feiert die Gesellschaft bis nach Mitternacht.
Die Shows der "Ehrlich Brothers" setzen auf Bombast. Es blinkt, es wummert - so lieben es die Zauberkünstler Andreas und Chris Ehrlich und ihre Fans sowieso. Auch die Brüder Abd verfolgen die Show in Hamburg mit großer Begeisterung. Gemeinsam mit der ganzen Pastorenfamilie Berndt, bei denen die Brüder wohnen, haben sich Mohammad und Abdullah das Spektakel angeschaut - ein gelungenes Weihnachtsgeschenk der Großeltern.
Das neue Jahr beginnt für die Brüder Abd mit einer frohen Botschaft: Sie werden nicht nach Ungarn zurückgeschickt. Vor einem Jahr waren sie über das Land in die Europäische Union eingereist und dort registriert worden. Nun hat ihr Anwalt ihnen mitgeteilt, dass sie in Deutschland bleiben dürfen.
Ist das Geräusch eine Rakete oder eine Bombe? Das könne man in seiner Heimat Irak nicht auseinanderhalten, sagt Mohammad Abd. Trotzdem feiert er mit seinem Bruder Silvester in Deutschland. Und er wünscht sich für das kommende Jahr nur eins: Frieden in seiner Heimat.
Bei Familie Berndt gibt es zu Weihnachten keine maßlose Geschenke-Schlacht - kleine Überraschungen für die Brüder Abd aber schon. Und am Sonntag steht der gemeinsame Besuch beim Handball-Bundesligaspiel in Hannover auf dem Programm.
Merkwürdig finden Mohammad und Abdullah die Tradition, sich einen Baum ins Wohnzimmer zu stellen, nicht. Im Gegenteil: Die beiden Iraker sind schon richtig in Weihnachtsstimmung. Abdullah hat am Morgen gemeinsam mit der Familie den Weihnachtsbaum geschmückt und zeigt ihn seinem Bruder.
Abdullah und Mohammad haben Weihnachtsferien von der Schule und dem Uni-Vorbereitungskurs. Die Gelegenheit haben sie für einen Ausflug nach Hamburg genutzt. Schnee gibt es hier selten. Aber mit 13 Grad erleben sie dieses Jahr ein besonders mildes erstes Weihnachten in Deutschland.
Zwar sind Mohammad und Abdullah Muslime, zum Adventssingen gehen sie aber trotzdem in die Kirche. Schließlich wohnen die Brüder bei Pastorenfamilie Berndt - und da gehört der Kirchenbesuch einfach dazu.
Zum ersten Mal zählen die Brüder Abdullah und Mohammad Abd die Tage bis Weihnachten. Einen Adventskalender haben sie bei ihrer Gastfamilie in Winsen auch. "Eine schöne Tradition", findet Abdullah.
Seit gut einem Monat leben Abdullah und Mohammad Abd nun bei der Pastorenfamilie Berndt in Winsen. "Wir sind jetzt eine Familie", sagt Abdullah. Und auch der Sohn der Familie Berndt freut sich, plötzlich "einen großen Bruder" zu haben.
Abdullah Abd geht in die neunte Klasse eines Gymnasiums in Winsen (Luhe). Die Fächer fielen ihm nicht schwer, sagt er. Probleme bereite ihm aber die deutsche Sprache. "Die Worte sind so lang", sagt Abdullah.
Es ist nicht das erste Mal, dass Mohammad Schnee erlebt. Auf der Flucht gab es in Mazedonien noch viel mehr. Aber damals war ihm nicht nach einer Schneeballschlacht zumute. Heute genießt er den Schnee im Garten des Winsener Pfarrhauses.
Die Brüder Abd ziehen um. Vom Container geht es für ein knappes Jahr zur Familie des Superintendenten ins Pfarrhaus - als Austauschjahr. Ein Modell, das Schule machen könnte.
Erst seit wenigen Monaten leben Mohammad und sein Bruder Abdullah in Winsen. Es ist das erste Mal in ihrem Leben, dass sie keine Gewalt fürchten müssen. Hier können sie sich vorstellen, ein Zuhause zu finden.