Zwei gelbe Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen liegen aufeinander © picture alliance / Eibner-Pressefoto | Fleig / Eibner-Pressefoto

Wegen vieler Krankheitstage gekündigt: Ist das rechtlich erlaubt?

Stand: 17.04.2025 09:11 Uhr

Es ist ein Irrtum, dass Arbeitnehmer nicht gekündigt werden können, weil sie krank sind, sagt Havva Öztürk von der Gewerkschaft ver.di. Die rechtlichen Hürden für eine solche Kündigung seien aber hoch.

Weil er in drei Jahren an mehr als 240 Tagen krank gemeldet war, hatte Amazon einem Mitarbeiter in Winsen an der Luhe (Landkreis Harburg) gekündigt. Der Mann hat nun vor dem Arbeitsgericht in Lüneburg dagegen geklagt. Aber welche Rechte haben Arbeitnehmende in so einem Fall? Wegen Krankheit von heute auf morgen gekündigt werden, das gehe nicht, sagt ver.di-Gewerkschafterin Havva Öztürk. Vor der Kündigung müsse der Chef oder die Chefin ein sogenanntes BEM-Gespräch mit dem Mitarbeitenden führen, ein Gespräch zum Betriebseingliederungsmanagement (BEM). Dabei geht es darum, dem Arbeitnehmenden Hilfsmittel bereitzustellen, die seine Beschwerden lindern. Auch könne ihm geholfen werden, einen neuen Arbeitsbereich im Unternehmen zu finden.

Kündigung wegen Krankheit nur bedingt möglich

Eine Kündigung aufgrund von Krankheit darf laut Öztürk nur dann ausgesprochen werden, wenn alle milderen Mittel erschöpft sind. Ein eindeutige Grenze, ab wie vielen Fehltagen eine Kündigung möglich sei, gebe es nicht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nennt drei Voraussetzungen, die alle erfüllt sein müssten, damit eine krankheitsbedingte Kündigung überhaupt wirksam ist:

  1. Die Gesundheitsprognose des Mitarbeitenden: Es gibt keine Aussicht darauf, dass sich der Gesundheitszustand des Angestellten verbessert.
  2. Die Lage des Unternehmens: Die krankheitsbedingten Fehlzeiten beeinträchtigen die wirtschaftlichen und betrieblichen Interessen des Unternehmens stark.
  3. Die Interessen: Die Interessen des Unternehmens wiegen stärker als die des Beschäftigten.

Expertin rät: Im Streitfall an Gewerkschaft oder Rechtsanwalt wenden

Vor allem den dritten Punkt müssten Arbeitsgerichte in jedem Einzelfall abwägen, sagt Öztürk. Die ver.di-Gewerkschafterin empfiehlt deshalb, sich in einem Streitfall an die Gewerkschaft oder einen Rechtsanwalt zu wenden. Falls es in dem Unternehmen einen Betriebsrat gibt, sollte dieser laut Öztürk ebenfalls informiert werden. Die Gewerkschafterin weist außerdem darauf hin, dass Beschäftigte nach Zugang der Kündigung drei Wochen Zeit hätten, um sich mit einer Kündigungsschutzklage dagegen zu wehren.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Lüneburg | 16.04.2025 | 15:00 Uhr

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