Füttern oder hungern lassen? Die Taubenplage in Lüneburg
Weit mehr als 2.000 Tauben bevölkern die Innenstadt in Lüneburg und hinterlassen überall Kot. Als "Ratten der Lüfte“ werden sie oft beschimpft. Ein Verein will die Populationen reduzieren - durch füttern.
Inge Prestele gehört zu den "Stadttauben Lüneburg". 30 Ehrenamtliche sind seit gut anderthalb Jahren täglich für die Vögel im Einsatz. In zwei Taubenschlägen erhalten die Tiere artgerechtes Körnerfutter, das sie in der Umgebung nicht finden. So will der Verein erreichen, dass die Tauben in die Schläge kommen und die Populationen auf Dauer sinken. "Unser Ziel ist, dass die Tiere da einziehen, dass sie von den Dachböden runterkommen, dass sie dort brüten und wir dort die Eier tauschen können", so Prestele.
Geburtenkontrolle mit Gipsattrappen
Brütenden Tauben werden die Eier weggenommen und ihnen stattdessen Gips-Attrappen untergeschoben. Das Hauptproblem der Tauben: Sie leiden unter einem Brutzwang. Nach einem halben Jahr sind die Tauben geschlechtsreif, ab diesem Zeitpunkt können sie alle zwei Monate Nachwuchs bekommen. Dieses Problem ist laut Tierschützern menschengemacht: Zu Zeiten, als Taubenfleisch verzehrt wurde, wurden die Tiere auf schnelles Brüten getrimmt. Die Stadtverwaltung befürwortet den Eiertausch. Deswegen hat sie die beiden grauen Container finanziert. Soweit - so gut. Warum also der Streit?
Stadt und Verein "Stadttauben Lüneburg" liegen im Clinch
Die "Stadttauben Lüneburg" haben eine Ausnahmegenehmigung für das Füttern. Allerdings nur in geringen Mengen für ein erstes Anlocken. Denn Tauben füttern ist eigentlich verboten. Die konkrete Ausnahme bestätigt Susanne Twesten von der Stadtverwaltung Lüneburg: "Der Verein hat derzeit die Erlaubnis, in den Schlägen zu füttern. Und zwar nur als eine Art Lockfütterung, damit die Tiere in diese Taubenschläge einziehen."
Lockfütterung soll Tauben zum Umzug bewegen
Lockfütterung? Nach Ansicht des Vereins ist eine zurückhaltende Fütterung "nicht effektiv". Auch der Verein wolle ein Taubenmanagement. Das aber gelinge nur, wenn die Tiere sich in den Schlägen gut versorgt fühlten. Nur so seien die standorttreuen Tiere bereit, sich an das Angebot zu gewöhnen und auf Dauer aus Dachluken und Regenrinnen in die Container "umzuziehen".
Verein lobt "Augsburger Modell" bei Kontrolle der Geburtenrate
Der Verein verweist auf andere Städte. Augsburg halte die Taubenpopulationen erfolgreich in Schach. Die Stadt sei mit ihrem "Augsburger Modell" inzwischen Vorbild für viele Kommunen. Die Kernidee: Den Tauben Brutplätze und artgerechtes Futter zu bieten und die Eier gegen Gips-Attrappen zu tauschen, um die Geburtenrate langfristig zu reduzieren. Praktiziert wird genau das auch in Lüneburg. Der große Unterschied: Es gibt in Augsburg ein Futterangebot auch außerhalb der Taubenschläge. Trotzdem kämen in Augsburg auf 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner rechnerisch nur vier Tauben. In Lüneburg seien es dagegen ungefähr 30, so der Verein.
Keine belastbare Zahlen zum Erfolg?
"Hamburg macht das mit sechs Taubenschlägen an den Bahnhöfen, die Stadt München macht das, der Bahnhof Uelzen macht das jetzt, Hannover, Braunschweig - es gibt viele, die das machen", sagt Inge Prestele. Die Stadt argumentiert, das Augsburger Modell sei eine Idee. Belastbare Zahlen über den Erfolg gebe es ihrer Kenntnis nach nicht.
Der Streit ist längst eskaliert
Die Debatte um das "richtige" Füttern und auch ausreichend Taubenschläge für das Konzept schwelt schon länger. Anfang Januar bereits hat der Verein "Stadttauben Lüneburg" Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht. Es gehe nicht um ein Wohlfühlprogramm für Tauben, sondern darum, die Populationen zu reduzieren - im Einklang mit dem Tierschutz. Tauben hungern zu lassen sei keine Option und helfe auch nicht, das gemeinsame Ziel zu erreichen.
Kündigung für die städtischen Taubenschläge
Inge Prestele ist Mitglied der Grünen und tierschutzpolitische Sprecherin im Kreisverband Lüneburg. Sie ist enttäuscht über die Haltung der Stadt unter Führung der grünen Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch. Nach dem Einreichen der Klage habe der Verein zum Jahresende die Kündigung für die beiden städtischen Taubenschläge erhalten. Das will Susanne Twesten von der Stadtverwaltung Lüneburg so nicht bestätigen. Sie spricht lediglich von einem neuen Vertrag. Der werde dem Verein noch im Dezember zugestellt.