Raub und Körperverletzung: Intensivtäter erneut vor Gericht
Ein 22-jähriger Intensivtäter steht seit Dienstag vor dem Landgericht Lüneburg. Er soll kurz nach einer Haftstrafe etliche Straftaten begangen haben. Was braucht es, damit junge Kriminelle die Kurve kriegen?
In der Hauptverhandlung geht es unter anderem um schweren Raub. Die Staatsanwaltschaft wirft dem jungen Mann vor, mit einem Beil und Pfefferspray bewaffnet eine Tankstelle in Uelzen überfallen zu haben. Den Verkäufer soll er angegriffen und 1.000 Euro mitgenommen haben. Bei der Festnahme des "Tankstellenräubers", wie die Polizei den Mann in ihrer Mitteilung von Ende März nannte, wurden Drogen und ein Auto, das er vom erbeuteten Geld gekauft haben soll, beschlagnahmt. Der Angeklagte soll darüber hinaus im März in Uelzen einen Verkaufsautomaten aufgebrochen haben. Daraus soll er Zwiebeln, Käse, Honig, Pfefferwürste und eine Geldkassette mit rund 400 Euro entwendet haben. Zudem soll er einer Person mit einem sogenannten Kubotan - einem Gegenstand, der in manchen Kampfsportarten genutzt wird - eine tiefe Schnittwunde am Handgelenk zugefügt zu haben. Der Angeklagte gestand die drei Taten zum Prozessauftakt. Er zeigte Reue und bat den Tankwart um Entschuldigung.
Wie kann Intensivtätern geholfen werden?
Der 22-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Mit Blick auf die Vielzahl und Schwere der ihm zur Last gelegten Delikte und seiner kürzlichen Haftentlassung stellt sich die Frage, warum ein so junger Mensch zum Intensivtäter wird. Und: Welche Maßnahmen sind nötig, um einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken? "Das muss man differenziert sehen", erklärt Menno Baumann im Gespräch mit dem NDR in Niedersachsen. Er ist Professor an der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf, Schwerpunkt Intensivpädagogik und Kinder- und Jugendhilfe. Im Jugendgerichtsgesetz sei formuliert, dass bei Jugendlichen der Erziehungsgedanke im Vordergrund steht. Das heißt, die Verhinderung weiterer Straftaten stehe über dem Gedanken der Strafe - und das sei genau der richtige Ansatz.
Experte Baumann: Kombination aus Justiz-Druck und Sozialer Arbeit
Baumann spricht von einem Dreiklang, der Jugendliche zu Straftätern mache: zum einen familiäre Gewalt, zum anderen soziale Ausgrenzung - aber auch das Scheitern im Bildungsbereich. "Wenn es gelingt, Jugendliche in Bildungsprozesse einzubinden und ihnen zu Schulabschlüssen zu verhelfen, dann können sie die Kurve kriegen", sagt Baumann weiter. Ganz wichtig sei dabei auch der Aufbau von sozialen Ressourcen. Viele Intensivtäter seien im "luftleeren Raum" oder in Jugendgruppen, die auch straffällig sind. Man könne sagen: "Soziale Arbeit ist das, was Lebensläufe verändert. Justiz ist aber das, was manchmal die Bedingungen dafür schaffen muss, damit das möglich ist." So brauche es eine gute Kombination aus Justiz-Druck und Maßnahmen der Sozialarbeit, um den Menschen eine andere Perspektive aufzuzeigen und um "gravierende Erziehungsdefizite oder Traumata, die in der Kindheit sind, ein Stück weit wieder aufzuarbeiten".
87 Intensivtäter in Niedersachsen
In der amtlichen Kriminalstatistik für Niedersachsen sind für das vergangene Jahr 87 Intensivtäter aktenkundig geworden. Sie eint, dass sie jung und fast ausschließlich männlich sind. Da jeder, um als Intensivtäter zu gelten, bis zu 25 Straftaten begangen hat, ist die Opferzahl entsprechend hoch. Fast 20.000 Straftaten hat das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen im vergangenen Jahr insgesamt erfasst. Dazu zählen unter anderem Drogendelikte, Diebstahl, Sachbeschädigung und Körperverletzung - aber auch sexualisierte Gewalt. Im Vergleich der vergangenen zehn Jahre stieg laut Kriminalstatistik die Anzahl der registrierten Opfer auf einen Höchststand. Laut LKA ist für diese Entwicklung auch die Coronapandemie ursächlich. Das sei aber kein niedersächsisches Problem - sondern ein bundesweites.