Panzermuseum will nicht mehr Selfie-Spot für Rechte sein
"Zeitenwende" ist ein Begriff, den Bundeskanzler Scholz in Bezug auf Krieg und Bundeswehr geprägt gemacht hat. Auch das Panzermuseum in Munster im Heidekreis plant seine eigene "kleine Zeitenwende".
Es ist kalt an diesem Februarmorgen in Munster. Das Thermometer zeigt 2 Grad Celsius an. Kein gutes Museumswetter - jedenfalls nicht, wenn das Museum wie hier in Munster aus mehreren großen, unbeheizten Werkshallen besteht. Ralf Raths empfängt den Besuch trotz frostiger Temperaturen im T-Shirt und Jackett. Seit 2013 leitet der Historiker das Panzermuseum nun schon. Für die neue Ausstellung hat er nicht weniger als eine "Zeitenwende fürs Museum" angekündigt, eine kleine zumindest. "Zeitenwende, weil es für das Panzermuseum wirklich eine Charakteränderung ist. Während es früher eher eine unkritische Ausstellung war, die nur Technik gezeigt hat, sind wir jetzt wirklich in ein neues Kapitel eingetreten", sagt Raths. Das Panzermuseum sei ein vollwertiges Museum geworden - aufbauend auf der Arbeit der Vorgänger.
Panzermuseum Munster stellt sich neu auf
Eine Zeitenwende für ein Museum, das früher den Ruf hatte, ein Selfie-Spot für rechte Panzerfreaks zu sein, die sich vor Wehrmachtspanzern fotografieren. Raths und sein Team wollen das Image ändern - und die Besucher am besten gleich mit. "Wir müssen die Ausstellung so gestalten, dass am Ende jeder was gelernt hat", sagt Raths. "Und wir müssen die Geschichten so erzählen, dass sie auch attraktiv für 'normale Leute' sind - also nicht nur Technik und Taktik für andere Soldaten, sondern auch Geschichten um die Panzer herum, die alle Menschen interessieren." Das versucht das Museum zu schaffen, indem es nicht mehr wie früher die Panzer einfach nur wie bei einer Traktorenausstellung auf einer großen Fläche ausstellt, sondern dazu auch Hintergrundinformationen liefert. So soll erklärt werden, was Panzer anrichten: Tod und Zerstörung - ohne dabei die Menschen auch in den Panzern zu vergessen.
"Häme ist nicht angebracht"
Raths erinnert an ein Bild aus dem Krieg Russlands gegen die Ukraine. Auf einem Foto sehe man, wie ein russischer Panzer in einem Gewässer auf dem Dach lag, berichtet er: "Und man sah die Notausstiegsluke, und in diesem Panzer sind drei Soldaten ertrunken. Das Foto wurde aber ziemlich hämisch rumgereicht: Weil gesagt wurde: 'Hach, guck mal, die können keinen Panzer fahren, die sind ins Wasser gefallen.'" Das stimme sachlich zwar, sei aber kein Grund für Häme. "Und wir versuchen, das mit der Ausstellung in Erinnerung zu rufen."
Besucher wollen wissen, wofür die Panzer eingesetzt wurden
Raths hatte zunächst die Befürchtung, dass diese expliziten Beschreibungen Besucher und Besucherinnen abschrecken könnten. Aber das Gegenteil ist der Fall: In einer großen Befragung des Museums kam heraus, dass ein Großteil der Menschen eben genau das wissen wollte: Wofür die 150 Panzer und Fahrzeuge, die hier im Museum stehen, eingesetzt wurden, eben, was ihre Geschichte ist.
Früher war die Technik wichtiger, heute auch der Gewalt-Aspekt
Der Krieg in der Ukraine habe zusätzlich dafür gesorgt, dass die Besucher heute sensibler über Panzer und deren Einsatz sprechen würden, erzählt Raths vor einem ausgemusterten Leopard-2-Panzer. "Der Krieg in der Ukraine hat auf jeden Fall dazu geführt, dass die Menschen nachdenklicher ins Museum kommen. Nicht alle, aber viele." Früher habe der Aspekt der Gewalt eher im Hintergrund gestanden, da seien Panzerungsdicke und Geschwindigkeit wichtiger gewesen. Mittlerweile dächten die Leute mehr über Gewalt nach und über Panzer als Instrumente dieser Kriegsgewalt.
Gelingt dem Panzermuseum die Wende?
Der Direktor des Museums ist davon überzeugt, dass das Panzermuseum seinen Beitrag zur Diskussion über Panzerlieferungen liefern kann. Das Museum versucht damit, die eigene Geschichte - also was Menschen über die Ausstellung erzählen - zu verändern. Ist das so ohne weiteres möglich? Die Museumsforscherin Patricia Rahemipour erforscht seit 2014, wie Museen ihr Wissen an Besucher vermitteln. Eine Kehrtwende vom "Selfie-Spot für Rechte" hin zum aufklärerischen Museum - wie schätzt die Professorin vom Institut für Museumsforschung die Herausforderung ein? Auf einer Skala von 0 ("keine Herausforderung") bis 10 ("fast unmöglich") sehe sie das Ansinnen des Museums bei einer 12? "Das ist so herausfordernd, was man sich hier vorgenommen hat, und das sind so starke Images, gegen die man arbeiten muss, das ist kein leichtes Unterfangen."
Raths wartet seit Jahren auf Geld für Sanierung
Museumsdirektor Ralf Raths hat sich seine warme Jacke inzwischen wieder angezogen. In der Halle ist es doch zu kalt fürs Jackett. Er bleibt optimistisch, das Image des Panzermuseums nachhaltig ändern zu können. Dass Raths Geduld hat, hat er schon bewiesen: Er wartet seit 2018 auf rund 19,3 Millionen Euro, die der Bundestag für eine Sanierung des Panzermuseums bereits genehmigt hat. Mit dem Geld soll unter anderem eine Heizanlage eingebaut werden.