Heidschnuckenwolle: Vom Abfallprodukt zu nachhaltiger Kleidung
Heidschnuckenwolle hat keinen guten Ruf: Eine grobe und kratzige Wolle, die nicht verarbeitet werden kann. Ein Schäfer aus der Lüneburger Heide will das Gegenteil beweisen.
1.000 Schafe gehören zur Höpen Schäferei in Schneverdingen (Landkreis Heidekreis). Im August ist ihr Fell lang - Zeit für die Schur. Mit gekonntem Griff klemmt sich Schäfer Steffen Schmidt ein Schaf zwischen die Beine und greift zur elektrischen Schermaschine. Nicht einmal fünf Minuten später sind etwa 500 Gramm Wolle ab. "Viele meinen, Heidschnuckenwolle sei Abfall, weil sie nicht verarbeitungsfähig wäre", sagt der Schäfer. Warum? Heidschnuckenwolle ist eine Mischwolle mit glatten Fasern, manche fein und andere sehr grob.
Kaum Wollverarbeitung mehr in Deutschland
Insgesamt schert der Schäfer etwa zwei Tonnen Wolle pro Jahr von seinen Heidschnucken. "Wir pflegen mit den Heidschnucken die Lüneburger Heide, verkaufen das Fleisch. Auch die Wolle gehört zum Tier. Es ist mein Grundsatz, möglichst alles vom Schaf zu verwerten", erklärt der Schäfer. Spinnereien und Webereien zu finden, die Heidschnuckenwolle verarbeiten wollen, sei sehr schwierig. Drei Jahre lang telefoniert der Schäfer, leistet Überzeugungsarbeit. "Die Infrastruktur für Wollverarbeitung ist in Deutschland fast nicht mehr vorhanden. Im Zuge der Globalisierung wurde die Wolle exportiert und nicht mehr vor Ort verarbeitet."
Regionale Wolle in den Fokus rücken
Es gibt aber noch einzelne Betriebe, die sich der Wolle widmen - eine Spinnerei im Wendland zum Beispiel. Hannah Wilimzig arbeitet dort mit Maschinen aus den 60er-Jahren, die dafür geeignet sind, grobe Wolle von Landschafen zu verarbeiten. "Es ist uns wichtig, Wolle von Schafen zu nutzen, die gleichzeitig unsere Landschaft pflegen. Das ist ein Beitrag zum Artenschutz", sagt Wilimzig. "Heidschnuckenwolle ist regional. Es muss nicht immer die Merinowolle aus Australien oder Neuseeland sein."
Schäfer sieht Potenzial in deutscher Schafwolle
Im Frühjahr hat die Spinnerei die ersten Versuche mit der Heidschnuckenwolle von Schäfer Steffen Schmidt gestartet. Die ersten Knäuel Strickwolle sind bereits fertig, auch feines Garn konnte produziert werden. "Ich habe das Gefühl, dass sich gerade viel tut, um regionale Wolle zu verarbeiten. Es gibt verschiedenste Schafrassen in Deutschland und die rufen regelrecht danach, eine Nutzung zu erfahren", so Schmidt. Der Schäfer hat große Träume. Er möchte aus Heidschnuckenwolle nicht nur Strickwolle produzieren, sondern beispielsweise auch Kleidungsstücke, Pullover oder Westen.
Höherer Preis für regionale Kleidung
Seine Frau, ebenfalls Schäferin, unterstützt diese Pläne. Wiebke Schmidt-Kochan hofft, dass Kundinnen und Kunden bereit sind, einen fairen Preis für die Heidschnuckenprodukte zu zahlen: "Das ist keine 'Fast Fashion'. Das sind Produkte, die man fünf oder zehn Jahre nutzt. Und das sollte der Gedanke sein: Ich kaufe etwas, das ich immer wieder anziehen will, was mich begleiten wird und dann kann das auch mal mehr kosten."