Käßmann: "Christlicher Glaube und Rechtsextremismus unvereinbar"

Stand: 23.06.2024 12:27 Uhr

In Eschede (Landkreis Celle) haben am Samstag rund 250 Menschen gegen Rechtsextremismus demonstriert. Erst am Freitag wurden Bilder eines Sonnenwendfestes im Stil der Hitlerjugend öffentlich.

Um 14 Uhr begann die Protestveranstaltung vor dem Bahnhof in Eschede mit einer Ansprache von Margot Käßmann, der früheren Landesbischöfin in Hannover und Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). "Wir wollen Verantwortung übernehmen für unser Land, darum sind wir heute hier", sagte Käßmann in ihrer Ansprache. Sie nehme als Christin teil, weil sie überzeugt sei, "dass christlicher Glaube und Rechtsextremismus unvereinbar sind." Die frühere Bischöfin betonte: "Wir wollen nicht zurück in ein vermeintlich 'rassenreines' Nazideutschland, sondern gemeinsam mit vielen, mit Juden, Muslimen, Christen, Menschen ohne Religion dieses Land gestalten."

Margot Käßmann spricht bei einer Kundgebung bei einer Demo gegen Rechtsextremismus in Eschede im Landkreis Celle. © NDR Foto: Marie Schiller
Die ehemalige Landesbischöfin in Hannover, Margot Käßmann, hält bei der Kundgebung eine Rede.
Kinder und junge Erwachsene bei Sonnenwendfeier

Nach Angaben der Polizei Celle hatten sich am vergangenen Wochenende auf Einladung etwa 50 Teilnehmer auf dem früheren "Hof Nahtz" zu einer Sonnenwendfeier getroffen. Die Bilder der Initiative "Recherche Nord" zeigen vor allem junge Erwachsene, aber auch Kinder in Uniformen, mit Fackeln und rot-weißen Trommeln. Zu sehen ist auch ein großes Lagerfeuer, in dessen Mitte ein Holzkreuz in Form einer Rune steht - in der NS-Zeit das Symbol der rassistischen Organisation Lebensborn. Die Bilder erinnern an die Zeltlager der "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ), die ebenfalls auf dem Hof stattfanden. Die Vereinigung wurde als Nachfolgeorganisation der Hitlerjugend im Jahr 2009 verboten, auch weil dort Kinder indoktriniert worden waren.

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Menschen stehen in Eschede im Landkreis Celle mit Fackeln und Trommeln in einem Kreis um eine brennende Rune aus Holz. © Recherche Nord

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Neonazis verschieben Treffen

Eigentlich war erwartet worden, dass das Neonazi-Treffen der "Jungen Nationalisten" (JN), der Jugendorganisation der Partei "Die Heimat", ehemals NPD, erst an diesem Wochenende stattfinden sollte. Wilfried Manneke, Sprecher des Netzwerks Südheide, geht davon aus, dass die Neonazis ihr Treffen verschoben haben, damit parallel zu ihrer Feier keine Demonstrierenden auftauchen. Die Bilder von "Recherche Nord" zeigten noch einmal, wie unverhohlen die heutigen Nazis den Nationalsozialismus verherrlichten, so Manneke. "Sie zeigen, welch Geistes Kind sie sind und welche Gefahr vom Rechtsextremismus ausgeht."

"'Brauchtumsfeiern' sind alles andere als harmlos"

Die rechtsextreme NPD, die sich mittlerweile in "Die Heimat" umbenannt hat, hatte den Hof am Rande von Eschede vor gut fünf Jahren von dem NPD-Mitglied Joachim Nahtz gekauft. Seit über 30 Jahren treffen sich dort Rechtsextremisten und Neonazis. Das Ziel der Sonnwendfeiern sei es, Kontakte zu pflegen, Termine abzusprechen und neue Aktionen vorzubereiten. "Diese 'Brauchtumsfeiern' sind alles andere als harmlos", so die Veranstalter der Gegendemo.

JN-Vorsitzender antwortet auf NDR Anfrage

Auf Anfrage des NDR Niedersachsen dementiert der JN-Bundesvorsitzende Sebastian Weigler aus Braunschweig eine Nähe zur Hitlerjugend: "Wir sind auch nicht die Nachfolgeorganisation einer anderen verbotenen oder aufgelösten Organisation. (...) Seit Jahrtausenden feiern die Menschen unserer Art die Wiederkehr der Sonne. Dies geschieht nicht erst seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Wir wärmen nicht Altes auf, sondern leben für das, was ewig gilt", so Weigler.

Kirchen, Gewerkschafter und "Omas gegen Rechts" bei Demo

Zu der Demonstration am Samstag hatten das Netzwerk Südheide und der DGB aufgerufen. Dem Protest-Bündnis gehören Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Kirchen, Angehörige verschiedenster Parteien und weitere Initiativen gegen Rechtsextremismus an, darunter auch die "Omas gegen Rechts". Neben Käßmann wurden auch Heinrich Lange, parteiloser Bürgermeister von Eschede, die Celler Bundestagsabgeordnete Angela Hohmann (SPD) und Matthias Richter-Steinke, Geschäftsführer DGB Region Nord-Ost-Niedersachsen erwartet.

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Jemand hält ein Schild mit der Aufschrift "Respekt" Kein Platz für Rassismus. Eschede bleibt bunt" hoch. © Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus Foto: Wilfried Manneke

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 22.06.2024 | 14:00 Uhr

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NS-Zeit

Rechtsextremismus

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