100-Seelen-Dorf nimmt 1.000 Flüchtlinge auf
Wer nach Sumte in der Gemeinde Amt Neuhaus fährt, der sieht schnell, dieser Ort ist wirklich klein. Eine Handvoll Häuser und Bauernhöfe, eine winzige Feuerwehr, dann noch eine Straßenkurve und schon liegt Sumte wieder hinter einem. Momentan hat das Minidorf gerade einmal 100 Einwohner. Doch noch im Oktober werden 1.000 Menschen dazukommen. Denn in einem leer stehenden Bürogebäude soll eine Notunterkunft für Flüchtlinge entstehen. Sumtes Bürgermeister Christian Fabel fühlt sich überrannt. "Die Nachricht war erst einmal kaum glaubhaft. 1.000 Flüchtlinge, das macht zehn pro Einwohner - die Stimmung im Ort ist nicht so positiv. Wir wissen nicht, was auf uns zukommt."
Befürchtungen der Anwohner sind groß
Noch vor zwei Jahren hatte ein Inkassounternehmen seinen Sitz in dem Bürokomplex, in den schon bald die ersten Flüchtlinge ziehen. Damals waren 300 Menschen hier beschäftigt. Dass die verwaisten Büros nun für Flüchtlinge hergerichtet werden sollen, diese Nachricht kam für die meisten im Ort unerwartet. Entsprechend groß sind die Befürchtungen. Grit Richter, Bürgermeisterin von Amt Neuhaus, glaubt, dass die Einrichtung zu groß ist für die Region. Unter anderem befürchtet sie, dass zum Beispiel die Abwasserleitungen in Sumte nicht ausreichend Kapazität für die geplante Notunterkunft haben könnten. Denn bis vor zwei Jahren arbeiteten in dem Bürokomplex nur rund 300 Mitarbeiter. Wenn jetzt dreimal so viel Menschen dort wohnen, waschen und kochen, dann könnte es zu Schwierigkeiten kommen.
"Es wird sehr, sehr erklärungsbedürftig sein", räumt auch Alexander Götz vom niedersächsischen Innenministerium ein. "Für die Menschen vor Ort wird es eine besondere Herausforderung, eine Belastung, da darf man gar nicht drum herumreden."
Innenministerium muss Gründe nennen
In der 4.000-Einwohner-Gemeinde Amt Neuhaus reiht sich ein kleines Dorf an das andere. Lüneburg ist 40 Kilometer entfernt. Die Gemeinde im ehemaligen Grenzgebiet ist infrastrukturell nicht gerade stark aufgestellt. In Sumte gibt es keine Einkaufsmöglichkeit, der Bus ins vier Kilometer entfernte Neuhaus fährt nur ein paarmal am Tag. Die Versorgung der Flüchtlinge werde dadurch zur besonderen Herausforderung, so sagt man im Dorf. Auch die örtliche Polizeistation ist über Nacht nicht besetzt. "Wir brauchen aber Polizeipräsenz. Und es muss sichergestellt werden, dass das Leben in Amt Neuhaus nicht zusammenbricht", fordert Bürgermeisterin Richter.
Notunterkunft wird nicht Erstaufnahmeeinrichtung
Wer Träger der Einrichtung wird, ist unterdessen noch unklar. "Wir verhandeln noch mit unterschiedlichen Hilfsorganisationen", sagt Götz vom Innenministerium. Zu dem Gerücht, dass die Notunterkunft in Sumte in Zukunft zu einer Erstaufnahmeeinrichtung ausgebaut werden könnte, sagt der Ministeriumssprecher, dass es bei einer Notunterkunft bleibe und zwar auf befristete Zeit. Als Erstaufnahmeeinrichtung bleibt weiter eine Kaserne in Neu Tramm im Landkreis Lüchow-Dannenberg im Gespräch. Die Verhandlungen darüber laufen.
Menschen in Sumte mit gemischten Gefühlen
"Wir müssen helfen, das ist klar", sagt Sumtes Bürgermeister Fabel. Wie viele andere im Ort sieht er aber auch viele Probleme auf die Bewohner zukommen - zum Beispiel in Sachen Tourismus. "Wenn jetzt bei den Ferienhausangeboten im Internet steht: 'Sumte', dann denken sich die Käufer 'Naja'" Auch die Sicherheit sei eine Frage, die die Sumter bewege. Christian Schreiber wohnt direkt neben der zukünftigen Notunterkunft. Er sagt: "Einerseits freut man sich ja, dass man den Leuten helfen kann, andererseits hat man dann auch wieder Angst um sein Hab und Gut." Christian Schreibers Nachbar Reinhold Schlemmer hat keine Befürchtungen. Der Rentner begrüßt es sogar, dass die Flüchtlinge kommen. "Das wäre eine Bereicherung für die Gegend."
Das niedersächsische Innenministerium lädt für den 13. Oktober ab 19 Uhr zu einer Informationsveranstaltung in das Hotel Hannover in Neuhaus.