Struktureller Rassismus bei der Polizei: Das sind die Risikopunkte

Stand: 09.09.2024 17:02 Uhr

Forschende haben erstmals Risikopunkte in der Polizeiarbeit ausgemacht, die strukturellen Rassismus begünstigen können. Für die Studie der Polizeiakademie Niedersachsen wurden Polizisten ein Jahr lang im Alltag begleitet.

Die Forscher haben zwölf Risikopunkte in der Polizeiarbeit ausgemacht, die mögliche Diskriminierung begünstigen - fünf davon seien als rassistisch anzusehen, teilte die Polizeiakademie am Montag mit. So sei beim Streifendienst der Kriminal- und Bereitschaftspolizei in Niedersachsen bei der Beobachtung zwischen den Jahren 2021 und 2022 festgestellt worden, dass ausländisch gelesene Menschen deutlich stärker von polizeilichen Kontrollen betroffen seien als andere, sagte Astrid Jacobsen, Soziologin und Professorin an der Polizeiakademie Niedersachsen. "Wir konnten beobachten, wie pauschal gesucht wurde nach Albanern, die mit Kokain handeln", so Jacobsen.

Studie: Ethnische Pauschalisierungen für Bewertung von Gefahren verwendet

Es geht laut der Forscherin aber auch um die Bewertung von Gefahren, bei denen ethnische Pauschalisierungen verwendet wurden. So würden "Südeuropäer als impulsiv, Russen als gewaltbereit, Clan-Angehörige als unkooperativ und polizeifeindlich gelten". Durch gewisse Stereotype könne es sein, dass vor Ort dann schnelle Lösungen durch Härte und Dominanz gewählt werden würden, so die Polizeiforscherin.

Pauschale Unterstellungen bei bestimmten Personengruppen

Moralische Werturteile über bestimmte Nationalitäten und Kommunikationsstörungen aufgrund von Sprachbarrieren sehen die Forschenden als weitere Risikofaktoren für rassistische Diskriminierung bei Polizisten. Bestimmten Personengruppen werde von Beamten außerdem pauschal unterstellt, dass sie die polizeiliche Autorität infrage stellten, etwa linken Aktivistinnen und Aktivisten, sowie jungen Männern mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund, sagte Jacobsen. Dadurch bestehe die Gefahr, dass die Polizisten sich gegenüber diesen Personengruppen grundsätzlich machtbetont verhalten würden.

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Wer Diskriminierung erfährt, radikalisiert sich leichter

Für die Forschenden ist ein Gegensteuern gerade vor dem Hintergrund des mutmaßlich islamistischen Anschlags in Solingen dringend notwendig. Menschen, die Diskriminierung erführen, radikalisierten sich leichter. Jacobsen plädierte dafür, nach britischem Vorbild unabhängige Beschwerdestellen mit Ermittlungskompetenzen für Polizisten einzurichten.

Innenministerium will Schritte gegen rassismusfördernde Prozesse prüfen

Niedersachsen Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sagte am Montag, die Ergebnisse der Studie seien sehr wertvoll. Es solle nun geschaut werden, was es zu verändern gilt, um rassismusfördernde Prozesse abzustellen. Der Verein Afrikanischer Dachverband Norddeutschland sieht sich bestätigt: neben den persönlichen Erlebnissen gebe es jetzt auch wissenschaftliche Belege dafür, dass es Momente bei der Polizeiarbeit gibt, die Rassismus fördern. Der Vorsitzende Eby Bakari Tangara sagte dem NDR Niedersachsen, unschuldig verdächtigt zu werden, belaste Betroffene psychisch sehr.

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