Streit um Notaufnahme-Gebühr: Das sagt Niedersachsen zum Vorstoß
Kassenärzte-Chef Gassen fordert eine Gebühr für Patienten, die ohne Ersteinschätzung in die Notaufnahme kommen. Der Bundesgesundheitsminister lehnt das ab. In Niedersachsen gibt es gemischte Reaktionen.
Von der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) heißt es, in Einzelfällen könne es genau der richtige Ansatz sein, eine Gebühr zu verlangen. Mit einer Gebühr würden die Menschen mehr nachdenken, ob sie wirklich in die Notaufnahme oder zum kassenärztlichen Notdienst müssten. Wie die KVN dem NDR in Niedersachsen mitteilte, könnten etwa 30 Prozent aller Patienten, die in Niedersachsen die Notaufnahme aufsuchen, eher zum Hausarzt gehen. Für den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst könne man sich Zwischenstufen vorstellen. Nach einem Telefonat könnte es etwa eine Videosprechstunde geben. 2020 habe es ein entsprechendes Modellprojekt in Braunschweig gegeben. Das habe gut funktioniert.
Krankenhausgesellschaft will Reform der Notfallversorgung
Die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft hält es hingegen für den falschen Weg, sich auf die Gebühren für Patientinnen und Patienten zu konzentrieren. Es sei Zeit für eine grundsätzliche Reform der Notfallmedizin, sagte ein Sprecher. Die Diskussionen hierzu auf Bundesebene liefen bereits, erste Vorschläge lägen vor. Auch Niedersachsens Ärztekammerpräsidentin, Martina Wenker, übt Kritik. "Kein Mensch setzt sich freiwillig in die Notaufnahme und nimmt dort stundenlange Wartezeiten in Kauf." Sie fordert statt "ständiger Rufe nach einer Notfallgebühr" ebenfalls eine Reform der Notfallversorgung.
Hintergrund: Kassenärzte-Chef fordert Notfallgebühr
Die KVN, die niedersächsische Krankenhausgesellschaft und die Ärztekammerpräsidentin reagieren damit auf einen Vorschlag des Kassenärzte-Chefs Andreas Gassen. Dieser sagte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" am Mittwoch: "Wer weiterhin direkt in die Notaufnahme geht, ohne vorher die Leitstelle anzurufen, muss gegebenenfalls eine Notfallgebühr entrichten". Denn das koste die Solidargemeinschaft unterm Strich mehr Geld und binde unnötig medizinische Ressourcen. Nicht eine Gebühr sei unsozial, sondern den Notdienst unangemessen in Anspruch zu nehmen und damit das Leben anderer Menschen zu gefährden. "Wer noch selbst in eine Notaufnahme gehen kann, ist oft kein echter medizinischer Notfall."
Lauterbach: Vorstoß werde "keine Umsetzung finden"
Es werde darüber diskutiert, wie die Notfallmedizin neu strukturiert werden könne, erklärte der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Eine Gebühr spiele dabei aber keine Rolle, sagte der Minister am Mittwoch in Berlin. Um die Notaufnahmen zu entlasten, hatte eine vom Bundesgesundheitsministerium eingesetzte Expertenkommission kürzlich vorgeschlagen, eine neue telefonische Leitstelle einzurichten. Diese soll Anrufe auf der Notfallnummer 112 und der Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdiensts 116 117 entgegennehmen und die Anrufenden, je nach medizinischen Beschwerden, an die richtige Stelle weitervermitteln. Eine Gebühr werde in Zusammenhang mit den Vorschlägen der Expertenkommission jedoch nicht diskutiert, sagte der Bundesgesundheitsminister. Gassens Vorstoß werde laut Lauterbach daher "keine Umsetzung finden".