Nienburg: Widersprüchliche Angaben nach tödlichen Schüssen

Stand: 05.04.2024 13:13 Uhr

Nach den tödlichen Schüssen in Nienburg gibt es widersprüchliche Angaben zum Verlauf des Einsatzes: Laut Medienbericht hat der Getötete seine Freundin nicht bedroht. Die Staatsanwaltschaft warnt vor "vorschnellen Rückschlüssen".

Die Tageszeitung "taz" hat nach eigenen Angaben mit der Freundin und einem Freund des 46-Jährigen gesprochen, der am Samstag bei einem Einsatz durch acht Schüsse getötet worden war. Beide seien Augenzeugen gewesen, berichtet die "taz". Der Zeitung zufolge wählte die Partnerin des Getöteten den Notruf, um ihrem Freund zu helfen. Er habe sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden. Sowohl die Frau als auch der Freund des Getöteten sagten der Zeitung, dass der 46-Jährige - anders als von der Polizei geschildert - seine Partnerin nicht mit einem Messer bedroht hatte.

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Staatsanwaltschaft: Ermittlungen brauchen Zeit

Nach bisherigem Stand habe es sich um eine Bedrohungssituation mit einem Messer gehandelt, sagte Koray Freudenberg, Sprecher der Staatsanwaltschaft Verden, am Freitag. Der genaue Ablauf sei aber noch Gegenstand der Ermittlungen. Genauso wie die Frage, ob es vorher eine Bedrohung oder sogar einen Angriff gegeben habe. Das alles seien Punkte, die im Rahmen der Ermittlungen aufgeklärt werden müssten. "Diese Ermittlungen werden gründlich und vollständig geführt - und gerade deswegen benötigen wir auch Zeit", sagte Freudenberg. "Ich warne davor, zum jetzigen Zeitpunkt vorschnelle Rückschlüsse zu ziehen".

"Bodycams der eingesetzten Beamten werden ausgewertet"

Laut Staatsanwaltschaft waren bei dem Einsatz insgesamt 14 Polizeibeamte vor Ort. Der Behörde lägen unter anderem Aufnahmen von Bodycams der beteiligten Beamten vor, sagte Freudenberg. Die Auswertung dauere aber noch an. "Man kann sich das nicht so vorstellen, dass aus einer Großperspektive in bester Bild- und Tonqualität ein vollumfängliches Video vorliegt." Auch in Bezug auf die zitierten Aussagen der "Lebensgefährtin beziehungsweise der Ex-Lebensgefährtin des Verstorbenen" müssten die Ergebnisse der mit den Ermittlungen betrauten Polizeidienststelle abgewartet werden, so Freudenberg. Dort werde die Frau - als Zeugin vernommen - genau so wie alle weiteren bei dem Einsatz anwesenden Personen. Zudem werden waffentechnische Untersuchungen durchgeführt.

"taz"-Bericht: Freundin wollte 46-Jährigen zur Aufgabe bewegen

Der "taz" hatte die Frau zudem gesagt, dass die Polizei von den zunächst alarmierten Sanitätern hinzugezogen worden war. Als diese eintraf, habe der Mann ein Messer gezückt. Nach eigenen Angaben bot die Frau ihre Hilfe an und erklärte, sie könne ihn zur Aufgabe bewegen, berichtet die Zeitung weiter. Dem Bericht zufolge soll die Polizei das jedoch nicht zugelassen haben. Stattdessen sollen die Beamten einen Polizeihund eingesetzt und auf den Mann geschossen haben. Die "taz" zitiert zudem eine Nachbarin, die angibt, die nackte Leiche des Getöteten habe während der Spurensicherung stundenlang ohne Sichtschutz auf einer Terrasse gelegen.

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Flüchtlingsrat fordert Aufklärung im Fall Nienburg

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hatte nach dem Bericht am Donnerstag eine "umfassende und lückenlose" Aufklärung gefordert. Es sei "unbegreiflich", warum der Polizeieinsatz eskaliert sei und der 46-Jährige aus Gambia (Westafrika) sterben musste, hieß es in einer Stellungnahme. Unter anderem müsse geklärt werden, inwiefern der psychische Ausnahmezustand des Mannes bei dem Einsatz berücksichtigt wurde und warum seiner Freundin verwehrt worden sei, den Mann zur Kooperation zu bewegen. Die Ermittler hatten am Mittwoch auf eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitgeteilt, dass hinsichtlich der psychischen Probleme des Mannes "keine gesicherten Erkenntnisse" vorlägen.

Mann soll als gewaltbereit bekannt gewesen sein

Bereits vor dem tödlichen Einsatz hatte es einen Zwischenfall in Hamburg gegeben. Die Bundespolizei in Hamburg-Harburg soll den 46-Jährigen wegen Fahrens ohne Fahrschein, Bedrohung, tätlichen Angriffs und Widerstands in Gewahrsam genommen haben. Die Staatsanwaltschaft Hamburg bestätigte dem NDR Hamburg, zwei Tage vor den tödlichen Schüssen in Nienburg habe der Mann Bundespolizisten in Hamburg bedroht und angegriffen. Drei Beamte wurden dabei den Angaben zufolge mit einem Messer verletzt. Einen Haftbefehl lehnte das zuständige Amtsgericht ab. Von dem Vorfall in Hamburg sollen die eingesetzten Polizisten in Nienburg gewusst haben. Der Mann soll den Beamten daher als gewaltbereit oder gewalttätig bekannt gewesen sein, teilte die Polizei Verden mit.

Getöteter von acht Kugeln getroffen

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft trafen den Mann acht Kugeln - zwei davon die Leber und das Herz, hatte Freudenberg am Dienstag gesagt. Eine Polizistin wurde bei dem Einsatz schwer verletzt. Wer die Schüsse abgegeben hat, ist den Angaben zufolge unklar. Die Staatsanwaltschaft Verden ermittelt gegen 14 beteiligte Polizeikräfte wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. Dabei handelt es sich laut Freudenberg um einen üblichen Vorgang, "um gerade auch den beteiligten Polizeibeamten die Beschuldigtenrechte zu gewähren".

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