Nienburg: Staatsanwalt warnt vor vorschnellen Rückschlüssen
Nach den tödlichen Schüssen in Nienburg gibt es widersprüchliche Angaben zum Verlauf des Einsatzes: Laut Medienbericht hat Lamin T. seine Freundin nicht bedroht. Die Staatsanwaltschaft warnt vor "vorschnellen Rückschlüssen".
Die Tageszeitung "taz" hat nach eigenen Angaben mit der Freundin und einem Freund des 46-Jährigen gesprochen, der am Samstag bei einem Einsatz durch acht Schüsse getötet worden war. Beide seien Augenzeugen gewesen, berichtet die "taz". Der Zeitung zufolge habe sich Lamin T. in einem psychischen Ausnahmezustand befunden. Sowohl die Frau als auch der Freund des Getöteten sagten der Zeitung, dass der 46-Jährige - anders als von der Polizei geschildert - seine Partnerin nicht mit einem Messer bedroht hatte.
Staatsanwaltschaft: Ermittlungen brauchen Zeit
Der genaue Ablauf des Einsatzes sei Gegenstand der Ermittlungen, sagte Koray Freudenberg, Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Verden, am Freitag. Dabei gehe es auch um die Frage, ob es eine Bedrohungssituation oder sogar einen Angriff gegeben habe. Das alles seien Punkte, die im Rahmen der Ermittlungen aufgeklärt werden müssten. "Diese Ermittlungen werden gründlich und vollständig geführt - und gerade deswegen benötigen wir auch Zeit", sagte Freudenberg. Teilweise werde der Vorfall in den Medien so dargestellt, als sei es sicher, dass es keinen Angriff gegeben habe. "Ich warne davor, zum jetzigen Zeitpunkt vorschnelle Rückschlüsse zu ziehen", so Freudenberg.
"Bodycams der eingesetzten Beamten werden ausgewertet"
Laut Staatsanwaltschaft waren bei dem Einsatz insgesamt 14 Polizeibeamte vor Ort. Der Behörde lägen unter anderem Aufnahmen von Bodycams der beteiligten Beamten vor, sagte Freudenberg. Die Auswertung dauere aber noch an.
Flüchtlingsrat fordert Aufklärung
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hatte nach dem Bericht am Donnerstag eine "umfassende und lückenlose" Aufklärung gefordert. Es sei "unbegreiflich", warum der Polizeieinsatz eskaliert sei und der 46-Jährige aus Gambia (Westafrika) sterben musste, hieß es in einer Stellungnahme. Unter anderem müsse geklärt werden, inwiefern der psychische Ausnahmezustand des Mannes bei dem Einsatz berücksichtigt wurde und warum seiner Freundin verwehrt worden sei, den Mann zur Kooperation zu bewegen.
GdP und Grüne warnen vor Vorverurteilungen
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Niedersachsen rief in einer Stellungnahme am Freitag zu Besonnenheit auf. Anstatt Vorverurteilungen auszusprechen oder nicht belegbare Äußerungen zu treffen, gelte es zunächst, die Ermittlungen abzuwarten. Tendenziöse Berichterstattung oder Veröffentlichungen, die einen Zusammenhang zwischen dem Verlauf des Einsatzes und der Herkunft des Mannes herstellen, seien inakzeptabel, so die GdP. Michael Lühmann, innenpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der Grünen in Niedersachsen, mahnte am Freitag eine umfassende Aufklärung der Umstände des Polizeieinsatzes an. Erst nach Klärung aller Fragen könne ein etwaiges Fehlverhalten der Polizeikräfte geahndet werden, so Lühmann.
Mann soll als gewaltbereit bekannt gewesen sein
Bereits vor dem tödlichen Einsatz hatte es einen Zwischenfall in Hamburg gegeben. Die Bundespolizei in Hamburg-Harburg soll den 46-Jährigen wegen Fahrens ohne Fahrschein, Bedrohung, tätlichen Angriffs und Widerstands in Gewahrsam genommen haben. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft Hamburg dem NDR Hamburg. Von dem Vorfall in Hamburg sollen die eingesetzten Polizisten in Nienburg gewusst haben.