Nienburg: Staatsanwalt warnt vor vorschnellen Rückschlüssen

Stand: 05.04.2024 16:44 Uhr

Nach den tödlichen Schüssen in Nienburg gibt es widersprüchliche Angaben zum Verlauf des Einsatzes: Laut Medienbericht hat Lamin T. seine Freundin nicht bedroht. Die Staatsanwaltschaft warnt vor "vorschnellen Rückschlüssen".

Die Tageszeitung "taz" hat nach eigenen Angaben mit der Freundin und einem Freund des 46-Jährigen gesprochen, der am Samstag bei einem Einsatz durch acht Schüsse getötet worden war. Beide seien Augenzeugen gewesen, berichtet die "taz". Der Zeitung zufolge habe sich Lamin T. in einem psychischen Ausnahmezustand befunden. Sowohl die Frau als auch der Freund des Getöteten sagten der Zeitung, dass der 46-Jährige - anders als von der Polizei geschildert - seine Partnerin nicht mit einem Messer bedroht hatte.

Videos
Das Blaulicht eines Polizeiautos. © Screenshot
3 Min

Tödliche Schüsse in Nienburg: Zweifel an Aussagen der Polizei

Ob der Getötete seine Freundin tatsächlich bedroht hatte, ist offenbar unklar. Der Flüchtlingsrat fordert Aufklärung. (05.04.2024) 3 Min

Staatsanwaltschaft: Ermittlungen brauchen Zeit

Der genaue Ablauf des Einsatzes sei Gegenstand der Ermittlungen, sagte Koray Freudenberg, Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Verden, am Freitag. Dabei gehe es auch um die Frage, ob es eine Bedrohungssituation oder sogar einen Angriff gegeben habe. Das alles seien Punkte, die im Rahmen der Ermittlungen aufgeklärt werden müssten. "Diese Ermittlungen werden gründlich und vollständig geführt - und gerade deswegen benötigen wir auch Zeit", sagte Freudenberg. Teilweise werde der Vorfall in den Medien so dargestellt, als sei es sicher, dass es keinen Angriff gegeben habe. "Ich warne davor, zum jetzigen Zeitpunkt vorschnelle Rückschlüsse zu ziehen", so Freudenberg.

"Bodycams der eingesetzten Beamten werden ausgewertet"

Laut Staatsanwaltschaft waren bei dem Einsatz insgesamt 14 Polizeibeamte vor Ort. Der Behörde lägen unter anderem Aufnahmen von Bodycams der beteiligten Beamten vor, sagte Freudenberg. Die Auswertung dauere aber noch an.

Videos
Ein Polizeiauto sperrt eine Straße. © Screenshot
3 Min

Schüsse in Nienburg: Verfahren gegen 14 Polizeibeamte

Ein Mann soll mit einem Messer auf seine Lebensgefährtin losgegangen sein. Nun kam raus: Auch in Hamburg soll er schon aufgefallen sein. (03.04.2024) 3 Min

Flüchtlingsrat fordert Aufklärung

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hatte nach dem Bericht am Donnerstag eine "umfassende und lückenlose" Aufklärung gefordert. Es sei "unbegreiflich", warum der Polizeieinsatz eskaliert sei und der 46-Jährige aus Gambia (Westafrika) sterben musste, hieß es in einer Stellungnahme. Unter anderem müsse geklärt werden, inwiefern der psychische Ausnahmezustand des Mannes bei dem Einsatz berücksichtigt wurde und warum seiner Freundin verwehrt worden sei, den Mann zur Kooperation zu bewegen.

GdP und Grüne warnen vor Vorverurteilungen

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Niedersachsen rief in einer Stellungnahme am Freitag zu Besonnenheit auf. Anstatt Vorverurteilungen auszusprechen oder nicht belegbare Äußerungen zu treffen, gelte es zunächst, die Ermittlungen abzuwarten. Tendenziöse Berichterstattung oder Veröffentlichungen, die einen Zusammenhang zwischen dem Verlauf des Einsatzes und der Herkunft des Mannes herstellen, seien inakzeptabel, so die GdP. Michael Lühmann, innenpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der Grünen in Niedersachsen, mahnte am Freitag eine umfassende Aufklärung der Umstände des Polizeieinsatzes an. Erst nach Klärung aller Fragen könne ein etwaiges Fehlverhalten der Polizeikräfte geahndet werden, so Lühmann.

Mann soll als gewaltbereit bekannt gewesen sein

Bereits vor dem tödlichen Einsatz hatte es einen Zwischenfall in Hamburg gegeben. Die Bundespolizei in Hamburg-Harburg soll den 46-Jährigen wegen Fahrens ohne Fahrschein, Bedrohung, tätlichen Angriffs und Widerstands in Gewahrsam genommen haben. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft Hamburg dem NDR Hamburg. Von dem Vorfall in Hamburg sollen die eingesetzten Polizisten in Nienburg gewusst haben.

Weitere Informationen
In Nienburg stehen Polizisten auf einer abgesperrten Straße. © HannoverReporter

Nienburg: Widersprüchliche Angaben nach tödlichen Schüssen

Laut Medienbericht hat Lamin T. seine Freundin nicht bedroht. Staatsanwaltschaft warnt vor vorschnellen Rückschlüssen. (05.04.2024) mehr

Mitarbeiter der Spurensicherung der Polizei arbeiten in der Friedrichstraße in Nienburg nach dem Polizeieinsatz, bei dem ein 46-Jähriger getötet wurde. © Moritz Frankenberg/dpa Foto: Moritz Frankenberg

Tödliche Schüsse in Nienburg: Bodycam-Aufnahmen ausgewertet

Eingesetzte Beamte sollen Bodycams getragen haben. Der Mann habe keine Vorstrafen gehabt, so die Staatsanwaltschaft. (03.04.2024) mehr

Die Polizei hat die Friedrichstraße in Nienburg gesperrt. Bei einem Polizeieinsatz wurde ein 46 Jahre alter Mann tödlich, eine Beamtin schwer verletzt. © Moritz Frankenberg/dpa Foto: Moritz Frankenberg

Toter in Nienburg: Haftbefehl wurde in Hamburg abgelehnt

Der Mann hatte Polizeibeamte bedroht und wurde erschossen. Zuvor war ein Haftbefehl gegen ihn in Hamburg nicht vollstreckt worden. (03.04.2024) mehr

Mitarbeiter der Spurensicherung der Polizei arbeiten in der Friedrichstraße in Nienburg nach dem Polizeieinsatz, bei dem ein 46-Jähriger getötet wurde. © Moritz Frankenberg/dpa Foto: Moritz Frankenberg

Messerangriff in Nienburg: Mann erschossen - Polizistin verletzt

Die Beamtin wurde von einer Polizei-Kugel getroffen. Der Leichnam des 46-Jährigen ist obduziert worden. Das Ergebnis steht aus. (01.04.2024) mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 04.04.2024 | 21:45 Uhr

Mehr Nachrichten aus der Region

Die Karte zeigt den Evakuierungsradius für die Entschärfung möglicher Blindgänger um der MHH. © Feuerwehr Hannover

Blindgängerverdacht: Evakuierung rund um MHH-Neubau in Hannover

Auf dem Neubaugelände der Medizinischen Hochschule müssen Verdachtspunkte geprüft werden. 9.000 Menschen müssen aus ihren Häusern. mehr

Aktuelle Videos aus Niedersachsen