Mordfall Frederike: 64-Jähriger darf nicht erneut angeklagt werden
Der Mordfall Frederike wird nicht erneut aufgerollt. Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass ein freigesprochener Verdächtiger nicht noch einmal vor Gericht gestellt werden darf.
Auch neue Beweise reichen dazu nicht aus, wie die Vorsitzende Richterin Doris König in Karlsruhe mitteilte. Die Ende 2021 in Kraft getretene Reform der Strafprozessordnung sei verfassungswidrig und nichtig, entschied das höchste deutsche Gericht. Das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Frederike müsse beendet werden, sagte König. Die Beschwerde eingelegt hatte Ismet H., der bereits einmal freigesprochene Verdächtige in diesem Fall. Er war verdächtigt worden, die Schülerin Frederike von Möhlmann 1981 bei Celle umgebracht zu haben. Aufgrund neuer Beweise sollte er erneut angeklagt werden.
Schwester von Frederike fühlt sich als Opfer alleingelassen
"Das ist kein Tag der Gerechtigkeit", sagte der Anwalt der Angehörigen, Wolfram Schädler, nach der Entscheidung in Karlsruhe. Seine Mandantin, die Schwester der getöteten Frederike, habe ihm gesagt, dass sie sich nach dem Urteil als Opfer sehr alleingelassen fühle. Es sei aber zu akzeptieren. Johann Schwenn, Anwalt von Ismet H., zeigte sich indes erleichtert: "Der Gesetzgeber sollte sich bewusst sein, dass es sich im Strafverfahren nicht empfiehlt, auf mediale Forderungen einzugehen und diese zum Teil im Wortlaut zu übernehmen", sagte er. So sei die Tat seinem Mandaten nach wie vor nicht nachgewiesen worden.
Keine leichte Entscheidung für Bundesverfassungsgericht
Dem achtköpfigen zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts ist die Entscheidung laut der Vize-Präsidentin König nicht leicht gefallen. "Dem Senat ist bewusst, dass dieses Ergebnis für die Angehörigen der 1981 getöteten Schülerin und insbesondere für die Nebenklägerin des Ausgangsverfahrens schmerzhaft und gewiss nicht leicht zu akzeptieren ist", sagte sie. Es sei aber nicht um den konkreten Fall gegangen, sondern um den Umgang mit dem grundlegenden rechtsstaatlichen Grundsatz, dass niemand zweimal wegen derselben Sache vor Gericht gestellt werden kann.
Anwalt der Familie: "Der Täter kann sich nicht zurücklehnen"
Schädler und seine Mandantin wollen weiter dafür kämpfen, dass der mutmaßliche Täter verurteilt wird. "Ich sage an der Stelle ganz deutlich: Der Täter kann sich nicht zurücklehnen", betonte der ehemalige Bundesanwalt. "Wir werden weiter ermitteln nach alter Gesetzeslage und werden versuchen, möglicherweise jemanden zu finden, dem gegenüber er ein Geständnis abgegeben hat. Das ist ja nach wie vor möglich." Schon bei einer mündlichen Verhandlung im Mai hatte die Schwester der Getöteten über ihren Anwalt erklären lassen: "Ihr Tod verjährt nicht in unserer Familiengeschichte." Zeit schaffe keinen Frieden, der Schmerz werde nicht weniger. Die Familie hoffe auf Ruhe.
17-jährige Frederike bei Celle vergewaltigt und ermordet
Vor 42 Jahren war die damals 17-jährige Schülerin nach einer Chorprobe bei Celle vergewaltigt und ermordet worden. Ein Gericht verurteilte den heute 64-jährigen Ismet H. zunächst zu einer lebenslangen Haftstrafe - 1983 wurde er rechtskräftig vom Mordvorwurf freigesprochen. Nach einer neuen DNA-Spur an der Kleidung von Frederike könnte H. jedoch der Täter sein. Im vergangenen Jahr beantragte die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht Verden, das Verfahren wieder aufzunehmen. H. war zunächst in Untersuchungshaft gekommen, das Bundesverfassungsgericht hatte den Haftbefehl jedoch außer Kraft gesetzt. H. kam bis auf Weiteres auf freien Fuß.
Fall Frederike führt zu Umdenken in der Politik
Hans von Möhlmann, der inzwischen verstorbene Vater des Opfers, kämpfte viele Jahre um eine Wiederaufnahme des Prozesses. Mit seiner Petition "Gerechtigkeit für Frederike" sammelte er 180.000 Unterschriften. Von Möhlmanns Engagement führte auch zu einem Umdenken in der Politik. 2021 beschloss die Große Koalition nach langen Diskussionen eine gesetzliche Neuregelung. Die umstrittene Reform sollte es möglich machen, Tatverdächtigen auf Basis neuer Erkenntnisse noch einmal den Prozess zu machen. Zuvor war das nur in wenigen Fällen möglich - etwa im Falle eines Geständnisses.
Gericht kippt Reform zur Wiederaufnahme von Strafverfahren
Seit der Gesetzesreform ging das auch, wenn "neue Tatsachen oder Beweismittel" auftauchen. Das sollte bei schweren Straftaten wie Mord, Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelten. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Dienstag ist diese Reform der Strafprozessordnung aufgehoben.