Kriegsversehrte aus der Ukraine verzweifeln an Bürokratie in Hannover

Stand: 18.01.2024 16:32 Uhr

In Niedersachsen werden viele ukrainische Soldaten in Kliniken behandelt. Auch in Hannover. Nach der Entlassung fehlt es hier aber offenbar an ausreichend Unterstützung und notwendiger Nachsorge für sie.

von Larissa Mass

Mykola Y. hat als Soldat für die Ukraine gekämpft. Seit knapp einem Jahr ist er in Hannover zur Behandlung seiner Kriegsverletzungen. Es ist vor allem sein Bein, das mehrmals operiert werden musste. Erst in der Ukraine, dann in Deutschland. Möglich ist das über das sogenannte Kleeblatt-Verfahren. Damit werden Kriegsverletzte oder schwer erkranke Patienten aus der Ukraine in deutsche Krankenhäuser verteilt. Mehr als 900 sind es im Bundesgebiet, mehr als 80 bisher in Niedersachsen.

Probleme beginnen nach dem Krankenhaus

Auch in Hannover sind so rund 30 kriegsversehrte Soldaten untergekommen. Nach dem Aufenthalt im Krankenhaus werden Patienten wie Mykola Y. zur Genesung in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, zum Beispiel von der Johanniter-Unfall-Hilfe. Mariya Maksymtsiv ist eine von vielen Ehrenamtlichen, die die Soldaten in Hannover zusätzlich unterstützt. Sie sagt: Nach dem Krankenhausaufenthalt beginnen für viele Soldaten die Probleme. Es gehe um fehlende Aufenthaltsgenehmigungen und eine unzureichende Versorgung.

Ukrainischer Soldat muss Wunde selbst versorgen

Kriegsversehrtee Mykola guckt verzweifelt. © NDR
Der ukrainische Soldat Mykola Y. ist über die Bürokratie verzweifelt. Seine OP-Wunde versorgte er zwei Wochen selbst.

Auch bei Mykola Y. sind solche Probleme aufgetreten. Im Krankenhaus hatte er eine Verordnung zur Wundversorgung durch einen Pflegedienst bekommen. Bei den Johannitern, die ihn betreuen, ist das auch bekannt. Allerdings wird die Verordnung nicht umgesetzt. "Niemand ist gekommen und ich wollte nicht noch länger auf jemanden warten", sagt der Soldat. Deshalb habe Mykola Y. seine OP-Wunde über zwei Wochen selbst versorgt. Eine Kontrolle durch Personal der Johanniter habe nicht stattgefunden.

Johanniter in Hannover räumen Versäumnisse bei Nachsorge ein

Das räumt die Pressestelle der Johanniter gegenüber dem NDR sogar ein und schreibt, generell nehme man seinen Auftrag, alle Geflüchteten bestmöglich zu versorgen, sehr ernst. Und weiter: "Bedauerlicherweise stellte sich […] erst einige Tage später heraus, dass offenbar kein Pflegedienst regelmäßig vor Ort war. Die Versorgung wurde dann umgehend geklärt und sichergestellt. Zudem konnten unsere Mitarbeitenden in der Zwischenzeit eine ordentliche Wundversorgung beobachten." Diese war durch den Soldaten selbst erfolgt.

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Ohne Versicherung keine Arzttermine

Ein weiteres Problem: Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus wird Mykola Y. über zwei Wochen nicht ordnungsgemäß in Hannover angemeldet. Bis zu seiner Aufenthaltserlaubnis bekommt er deshalb nur Gesundheitsleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Diese umfassen aber keine Krankenversicherung. Und das hat zur Folge, dass der Soldat nicht einfach einen Haus- oder Facharzt aufsuchen kann, zum Beispiel für Rezepte für verschreibungspflichtige Medikamente.

Landeshauptstadt Hannover weist Kritik von sich

Mykola Y. bleibt bei Schmerzen nur das Warten auf die Nachsorgetermine im Krankenhaus. Mit seiner Entlassung hatten die Landeshauptstadt und deren beauftragter Betreiber, die Johanniter, bereits die Fürsorge übernommen. Auf die Frage, warum Mykola Y. zwei Wochen auf eine Anmeldung wartet, schreibt die Stadt: "Die Unterstützung bei der Antragstellung und der Regelung behördlicher Angelegenheiten obliegt nach unserer Kenntnis zunächst dem jeweiligen Sozialdienst der Krankenhäuser oder dem Betreuungsdienst in den Unterkünften. Hier gibt es eine gute Zusammenarbeit mit den Johannitern als Betreiberin einiger unserer Unterkünfte."

Johanniter verweisen auf Patientenlotsen

Die Johanniter lassen die Frage nach der fehlenden Anmeldung von Mykola Y. allerdings offen. Stattdessen eine allgemeine Antwort. Die Johanniter würden sogenannte Patientenlotsen einsetzen: "Ziel ist es, die Patienten und Krankenhäuser bei den behördlichen Angelegenheiten im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten und auf Anfrage zu unterstützen", heißt es schriftlich. Sobald eine Anfrage und eine Schweigepflichtsentbindungserklärung vorlägen, würden die Patientenlotsen unterstützend tätig.

Niedersächsische Ehrenamtliche verärgert

Ehrenamtliche Mariya Maksymtsiv im Gespräch mit dem Kriegsversehrten Mykola. © NDR
Die ehrenamtliche Mariya Maksymtsiv wünscht sich, dass die ukrainischen Soldaten in Hannover mehr Unterstützung erhalten.

Mykola Y. ist nicht der einzige ukrainische Soldat in der Unterkunft der Johanniter, der über Wochen nicht angemeldet ist. Ohne die Unterstützung von Ehrenamtlichen wie Mariya Maksymtsiv hätten es viele Soldaten schwer, sagt sie. Gleichzeitig ist die Ukrainerin, die seit fast 20 Jahren in Deutschland lebt, verärgert: "Ich mache das gerne, aber das ist für mich auch eine große Belastung. Ich fände es schön, wenn nicht alles auf die Ehrenamtlichen geschoben wird", sagt Mariya Maksymtsiv.

Verantwortung soll besser geklärt werden

Die Stadt Hannover schreibt: "Wir bedauern es, dass bei den konkreten Schicksalen, die Sie beschrieben haben, zu Verzögerungen kam und die Rahmenbedingungen dadurch sehr schwierig waren." Man plane in Zukunft mit allen am Prozess Beteiligten ein persönliches Gespräch zu führen, um die Verantwortungen besser zu klären. Soldaten und auch Ehrenamtliche hoffen, dass dies zeitnah umgesetzt wird.

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