Jüdische Gemeinden blicken mit Sorge auf den 7. Oktober
Kurz vor dem Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel äußern sich jüdische Gemeinden in Niedersachsen besorgt. Die Zahl antisemitischer Vorfälle hat seit dem 7. Oktober 2023 stark zugenommen.
Rebecca Seidler, Vorsitzende der liberalen jüdischen Gemeinde Hannover, betrachtet die Lage in Niedersachsen mit Sorge. Sie forderte am Mittwoch in Hannover von der Landesregierung, dass diese sich klar positioniere und angemeldete Demonstrationen zum Nahost-Konflikt genau überprüfe. Auch Michael Fürst vom Landesverband jüdischer Gemeinden in Niedersachsen blickt nach eigener Aussage mit Sorge auf den Nahost-Konflikt. Die Gefahr für seine Gemeinden habe sich nach seiner Einschätzung jedoch nicht erhöht.
Innenministerium sieht hohe Gefahrenlage
Laut niedersächsischem Innenministerium besteht nach wie vor eine hohe abstrakte Gefahrenlage für jüdische Einrichtungen. Die Schutzmaßnahmen seien bereits seit dem Angriff der Hamas vor einem Jahr verstärkt worden, sagte eine Ministeriumssprecherin am Mittwoch. Außerdem werde die Situation ständig neu bewertet.
153 Vorfälle nach dem 7. Oktober
Im Juni hatte die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) über einen sprunghaften Anstieg antisemitischer Vorfälle in Niedersachsen wie auch bundesweit berichtet. Demnach war die Zahl judenfeindlicher Übergriffe 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 61 Prozent gestiegen. 208 antisemitische Ereignisse waren im Jahr 2022 landesweit erfasst worden - ein Jahr später dokumentierte RIAS Niedersachsen insgesamt 331. Fast die Hälfte davon, 153 Vorfälle, hätten sich nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ereignet, sagte RIAS-Leiterin Katarzyna Miszkiel-Deppe seinerzeit dem NDR Niedersachsen.
RIAS berichtet von konkreten Anfeindungen
Konkret habe unter anderem eine Jüdin im Landkreis Celle eine Morddrohung erhalten, nachdem sie sich auf Instagram zu erkennen gegeben habe, berichtet Miszkiel-Deppe nun, wenige Tage vor der Jahrestag des Angriffs. In Göttingen sei ein Mann mit Kippa mit den Worten "Ich reiße dir deine kleine Mütze vom Kopf" bedroht worden. Ebenfalls in Göttingen wurde die Wohnungstür einer Jüdin mit den Worten "Free Palestina" markiert. In Hannover wurde eine Frau laut RIAS nach einer Pro-Israel-Kundgebung von einem Mann bespuckt. Viele Jüdinnen und Juden haben sich laut Miszkiel-Deppe wegen solcher Anfeindungen entschieden, in der Öffentlichkeit keine religiösen Symbole mehr zu tragen. "Wir haben immer ein bestimmtes Grundrauschen von Antisemitismus", sagte Miszkiel-Deppe. "Aber zu bestimmten Ereignissen explodieren die Zahlen."