Heim in Rethen zweimal insolvent - neuer Betreiber soll es richten
Die Insolvenzmeldungen der Seniorenheime reißen nicht ab. Eine Einrichtung in Rethen hat sogar schon zwei Insolvenzen erlebt. Mit einem neuen Betreiber ist der Blick in die Zukunft nun aber optimistisch.
Monika Winkler ist 82 Jahre alt und lebt seit zwölf Jahren in einem Seniorenheim im Laatzener Ortsteil Rethen in der Region Hannover. Das Heim und die Mitarbeitenden sind ein wichtiges Umfeld für sie geworden - und auch ihre Heimat, wie sie sagt. Als sie vor ein paar Wochen erfahren hat, dass der Betreiber des Heims, Convivo, Insolvenz angemeldet hat, war sie schockiert: "Noch mal hier weg, das geht nicht", sagt sie. Aber schnell war auch klar, dass das Heim einen neuen Betreiber gefunden hat und sowohl Personal und Bewohnerinnen und Bewohner übernommen werden.
Die zweite Insolvenz innerhalb kurzer Zeit
Dabei ist es nicht die erste Insolvenz, die das Heim in Rethen erlebt hat. 2019 hatte der Betreiber Diakonie die Pleite bekannt gegeben, ein Mitgrund sei die fehlende Auslastung gewesen. Convivo übernahm das Heim und versprach, es besser zu machen. Doch dieser ging Anfang des Jahres selbst insolvent mit seinen rund 30 Standorten in Niedersachsen.
Für die Pflegeheimleiterin Dorit Reincke war die erste Insolvenz noch ein großer Schock mit vielen Unsicherheiten. "Bei der zweiten Insolvenz wussten wir, was kommt - von daher waren die Mitarbeiter entspannt", so Reincke. Der neue Betreiber stand auch schnell fest: Das Familienunternehmen Hahne Holding GmbH hat das Heim samt Personal und Pflegebedürftigen im April übernommen und zur "Hahne Residenz Rethen an der Leine" benannt.
Nebeneffekte der Corona-Zeit führen zu Problemen
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass ein weiteres Pflegeheim ins Straucheln geraten ist: Der Pflegeheimbetreiber Doreafamilie hat einen Antrag auf ein Schutzschirmverfahren gestellt. Dorea betreibt rund 80 Einrichtungen in Deutschland, in Niedersachsen vier Pflegeheime in Harburg, Jesteburg, Buxtehude und Marschacht. Es scheint wie eine Welle: Erst im März hatte der Pflegeheim-Betreiber Hansa mit Sitz in Oldenburg ein Schutzschirmverfahren für seine 23 Seniorenheime beantragt.
Zahlen insolventer Pflegeheime werden nicht erhoben
Vera Lux vom Niedersächsischen Pflegerat sagt, dass die Heime noch immer mit den Nachwehen der Corona-Pandemie zu kämpfen hätten. Beispielsweise seien weniger zu Pflegende in Altenheime eingezogen. "Die Gründe sind vielfältig, aber Angst vor Ansteckung, Isolation, Einsamkeit, kein Besuch erlaubt und kein Kontakt zur Familie haben, im Zimmer 'eingesperrt' sein waren reale Situationen, über die in den Medien berichtet wurde. Das hat abgeschreckt und abgehalten, in ein Pflegeheim einzuziehen, diese Angst hält an", so Lux. Darüber hinaus seien die Kostensteigerungen und die hohe Inflation für viele Einrichtungen nicht zu schultern. Auch die Energiewende und die Auflagen für eine energetische Sanierung seien über die Pflegesätze nicht zu finanzieren.
Weniger Personal bedeutet geringere Belegung
Das essenzielle Problem sei der Fachkräftemangel, führt Lux aus. "Der hat mittlerweile ein Ausmaß angenommen, dass die Versorgung in immer mehr Einrichtungen nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Es ist einfach keiner mehr da." Ein Pflegeheim sei erst ab 90 Prozent Auslastung rentabel. Über einen längeren Zeitraum unter dem Wert zu bleiben sei für einen Heimbetreiber nicht tragbar.
"Nicht kalkulierte extreme Kostensteigerungen, wie es gerade in den letzten Monaten bei Strom, Energie und Lebensmittel geschehen ist, können nicht unmittelbar an die Bewohner weitergegeben werden. Die Pflegeheimkosten werden in der Regel jährlich verhandelt und angepasst. Bis das der Fall ist, muss der Betreiber in Vorkasse gehen", so Lux.
"Rethen an der Leine" will wirtschaftlich werden
In "Rethen an der Leine" leben aktuell 48 Bewohnerinnen und Bewohner bei 86 Plätzen, das ist eine Auslastung von 56 Prozent. Der neue Betreiber Hahne Holding plant, innerhalb von zwei bis drei Jahren die Residenz wieder rentabel zu machen. Das Familienunternehmen betreibt in der Region Hannover bereits drei Pflegeeinrichtungen mit rund 650 Pflegeplätzen, die nahe der Vollbelegung seien. Doch zunächst investiert Hahne Holding in das neue Heim: Neben neuen Pflegebetten und Liftern soll eine interne Verwaltungs-App das Personal in der Dokumentation unterstützen.
Fachkräfte aus Indien und Kamerun sollen langfristig helfen
Der wichtigste Schritt zur Wirtschaftlichkeit ist, das Personal zu finden und zu halten. Die Hahne Holding betreibt eine eigene Pflegefachschule, in der sie für die eigenen Heime und auch für Partnerunternehmen ausbildet. Aktuell hat sie 210 Lernende. Mit Partneragenturen wirbt sie interessierte Bewerberinnen und Bewerber im Ausland an, etwa aus Kamerun und Indien. In ihrer Heimat lernen sie Deutsch und werden vorbereitet. Erfahrungswerte der vergangenen Jahre zeigten, dass viele der so angeworbenen Pflegekräfte auch bleiben, sagt Sarah Kretzschmar-Langel aus der Verwaltungsleitung der Pflegefachschule Hannover.
Im Mittelpunkt: Die Pflegebedürftigen
In Niedersachsen waren 2021 laut dem Landesamt für Statistik mehr als 93.000 Menschen in einem Pflegeheim untergebracht. Die Zahl dürfte in den nächsten Jahren steigen. Vera Lux befürchtet eine "Zwei-Klassen-Pflege Zukunft". Nur wer Geld hat, werde sich ein Heim leisten können: "Alle anderen werden versuchen, so lange wie möglich zu Hause irgendwie klarzukommen. Denn die monatliche Durchschnittsrente von 1.300 Euro reicht bei Weitem nicht aus, um im Pflegeheim versorgt zu werden."
Die Eigenanteile der Bewohner müssen zwingend gedeckelt werden - das fordern sowohl Vera Lux als auch Heimleiterin Dorit Reincke. Doch bei all den Zahlen und Rechnungen betont Pflegeheimleiterin Dorit Reincke, dass die Pflegebedürftigen immer im Mittelpunkt stehen müssten.