Razzia bei "Reichsbürgern": Polizei durchsucht Gebäude in Springe
Sicherheitsbehörden haben bei einer Razzia gegen "Reichsbürger" bundesweit mehr als 20 Gebäude durchsucht. Auch in der Region Hannover waren Beamte im Einsatz. Jetzt gibt es Diskussionen um das Waffenrecht.
Springe war der einzige Ort in Niedersachsen, an dem die Polizei gegen mutmaßliche "Reichsbürger" vorging. Wie Nachbarn dem NDR in Niedersachsen berichteten, waren sie bereits am Mittwochmorgen um 6 Uhr angerückt. Sie durchsuchten das Gebäude eines Mannes, den Nachbarn als "offen, freundlich und zugänglich" beschreiben. Vor einigen Jahren sei er mit seiner Partnerin in einen Ortsteil von Springe gezogen, sagen die Nachbarn. Nach Informationen des NDR in Niedersachsen handelt es sich offenbar um einen pensionierten Polizisten. Die Bundesanwaltschaft verdächtigt ihn, eine "terroristische Vereinigung" unterstützt zu haben. Dabei soll es sich um dieselbe terroristische Vereinigung handeln, gegen die die Behörden bereits im Dezember ermittelten.
Warum der Beschuldigte aus Springe nicht festgenommen wurde, dazu äußerte sich ein Sprecher des Generalbundesanwalts auf Anfrage des NDR in Niedersachsen nicht. Niedersachsens Polizeipräsident Axel Brockmann berichtete am Mittwoch im Innenausschuss des Niedersächsischen Landtags über den Einsatz. Die Ermittlungen dauerten an. Zu Hintergründen machte Brockmann keine Angaben. Laut einem Sprecher des Innenministeriums ist die Durchsuchung in Niedersachsen ohne Zwischenfälle abgeschlossen worden. Bundesweit durchsuchten die Behörden mehr als 20 Objekte in acht Bundesländern und in der Schweiz - darunter auch ein Gebäude im Landkreis Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern.
Schüsse verletzen Polizisten in Baden-Württemberg
In Reutlingen in Baden-Württemberg wurde ein Polizist im Zuge der Razzia verletzt, als eine Person auf die Beamten schoss. Der Beamte wurde dabei den Angaben zufolge aber nicht lebensbedrohlich verletzt. Der mutmaßliche Täter sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Weitere Festnahmen gab es laut einer Sprecherin der Bundesanwaltschaft nicht.
Neue Diskussionen über Waffenrecht
Der Vorfall in Baden-Württemberg hat erneut eine Diskussion darüber entfacht, wer Waffen besitzen darf und wer nicht. "Schon 2016 haben wir einen Hinweis an die Waffenbehörden gegeben, dass ein Reichsbürger vom Grundsatz her keine Waffen mehr haben darf", sagte Landespolizeipräsident Brockmann. Er geht von etwa 900 "Reichsbürgern" in Niedersachsen aus. Nur wenige von ihnen würden Waffen besitzen. "Wir müssen uns auch an die Gesetze halten, das ist klar und die Behörden hatten bisher nicht die Möglichkeit, bei diesen wenigen die Waffen wegzunehmen", erklärte Brockmann. Etwa 30 Reichsbürger seien in Niedersachsen noch im Besitz von Waffen, sagte André Bock, Innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Er erwartet nun von der Landesregierung, mit Hochdruck daran zu arbeiten.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dringt darauf, das Waffenrecht weiter zu verschärfen. Alle, die eine waffenrechtliche Erlaubnis beantragen, sollen ihre psychologische Eignung nachweisen müssen, fordert die SPD-Politikerin. Sie kündigte an, weiter entschieden gegen das Netzwerk der "Reichsbürger" vorzugehen.
Zusammenhang mit Großrazzia im Dezember
Bereits im vergangenen Dezember sind die Behörden mit einer Großrazzia in mehreren Bundesländern sowie in Österreich und Italien gegen das "Reichsbürger"-Netzwerk vorgegangen. 22 mutmaßliche Mitglieder und drei Unterstützer einer terroristischen Gruppe wurden dabei festgenommen, darunter drei Beschuldigte aus Niedersachsen. Die Razzia am Mittwoch richtete sich laut Bundesanwaltschaft gegen fünf weitere Beschuldigte. Die Personen aus Niedersachsen, Bayern, Sachsen und der Schweiz stünden im Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Zudem durchsuchte die Polizei die Räumlichkeiten von 14 weiteren Personen. Sie gelten den Angaben zufolge nicht als verdächtig, sondern tauchten als Zeugen in Chats auf.
Rund 23.000 "Reichsbürger" in Deutschland
Die mutmaßlichen Mitglieder des "Reichsbürger"-Netzwerks sollen in Deutschland einen Staatsstreich geplant haben, notfalls mit Waffengewalt. Deutschlandweit rechnete der Verfassungsschutz der Szene der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 2022 etwa 23.000 Menschen zu, 2.000 mehr als im Vorjahr. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Michael Lühmann, sieht in den Schüssen auf den Polizisten in Baden-Württemberg den Beweis dafür, "wie groß im Milieu der sogenannten Reichsbürger die Verachtung gegenüber unserem Rechtsstaat ist". Er fordert daher, alles dafür zu tun, "diese Netzwerke zu ermitteln und zu zerschlagen".