"Er ist perfekt, so wie er ist" - Finn, der Inklusionsprofi

Stand: 28.06.2023 20:10 Uhr

Finn Vahlbruch hat das Down-Syndrom - und macht er an einer Grundschule in Hannover ein freiwilliges soziales Jahr. Er liebt seinen Job so sehr, dass er gerne eine Sieben-Tage-Woche hätte.

von Tobias Hartmann

Finn Vahlbruch läuft quer über den Schulhof, und sofort bildet sich eine Traube von Grundschüler*innen um ihn herum. Die einen wollen mit ihm abklatschen, die anderen einfach kurz "hallo" sagen oder ihn zu seinem Arbeitsplatz begleiten. Der befindet sich in den Pausen in einem Container auf dem Schulhof. Finn ist der Gerätewart. Nur wer seinen Ausleihpass bei ihm abgibt, kann sich auch etwas mitnehmen. Einen Roller, Bälle oder zum Beispiel ein menschengroßes Vier-gewinnt-Spiel. Finn muss die Sechs- bis Zehnjährigen immer wieder daran erinnern, dass sich nur drei Kinder gleichzeitig in dem Container aufhalten sollen. Der Rest soll sich vor der Tür in einer Schlange anstellen.

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Mia: "Ich bin glücklich, dass er hier arbeitet"

Die Kinder bekommen hier aber nicht nur Spielgeräte, sondern auch stets ein strahlendes Lächeln von Finn oder auch mal einen kleinen Klapps oder eine Umarmung. Eins ist sofort klar: Finn liebt seinen Job, und er hat einen super Draht zu den Kindern. Und die Kinder, die mögen ihn auch. Die achtjährige Mia bringt es auf den Punkt: "Ich bin glücklich, dass er hier arbeitet. Er ist perfekt, so wie er ist."

Finn besuchte die IGS Linden

Doch Finn macht seit August 2022 an der Grundschule am Mühlenweg in Hannover-Misburg ein freiwilliges soziales Jahr. Schon in der Krippe und im Kindergarten war es seinen Eltern wichtig, dass er mit Kindern mit und ohne Handicap zusammen war. Anschließend besuchte Finn die IGS Linden und dann noch drei Jahre eine Förderschule. In der Regel führt dann der Weg direkt in eine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen.

"Die Kinder sehen: 'O.k., wir gehören alle zusammen'"

Die Schulleiterin Elke Lengert ist begeistert, wie zuverlässig und selbständig Finn mittlerweile seine Aufgaben erledigt. "Wir haben an unserer Schule Kinder aus allen Ländern mit unterschiedlichsten Fähigkeiten, mit und ohne Behinderung, und für die Kinder ist es großartig zu sehen, dass anschließend auch jemand so selbständig arbeitet wie Finn, also das ist eine super gesellschaftliche Vorbereitung finde ich, dass die Kinder einfach sehen, 'o.k., wir gehören alle zusammen, jeder leistet seinen Beitrag'. Nur so ist das Leben bunt und macht Spaß", so Elke Lengert.

Auch eine Aufgabe: Brot backen mit den Kindern

Die große Pause ist vorbei und Finn ist jetzt nicht mehr Gerätewart, sondern Bäckermeister. In der Schulküche zeigt er fünf Schüler*innen aus der 2. Klasse, wie man eigenes Brot backt. Das brauchen sie für ihr schuleigenes Frühstücksangebot. Finn bekommt hier in der Küche und bei seinen anderen Aufgaben Unterstützung von Noah Wevering. Der 25-Jährige ist beim Verein Help angestellt, der auch Schulassistenten für Kinder an der Grundschule stellt. Gemeinsam zeigen sie den Kindern, wie die Körner in der Mahlmaschine zu Mehl werden, wie man die richtige Menge Wasser abmisst und mit der Hefe vermischt. "Finn hat den Großteil seines Arbeitsalltags mittlerweile selbständig im Griff. Ich bin überflüssig in vielen Teilen", erzählt Noah Wevering.

Von der Backstube in den Garten

Finn ist oft nicht ganz einfach zu verstehen, doch bereitwillig wiederholt er seine Sätze, wenn die Schüler*innen nicht sofort wissen, was er meint. Sein Vater Jan Vahlbruch erzählt, dass sich Finns Aussprache seit seiner Arbeit an der Grundschule bereits deutlich verbessert hat. "Finn möchte natürlich, dass die Kinder ihn verstehen, und das motiviert ihn, sich noch mehr Mühe zu geben", so Jan Vahlbruch. Das Brot verschwindet im Ofen und Finn macht sich auf den Weg zu seinem nächsten Arbeitsplatz.

Finns Traumjob? "Genau hier. Grundschule, Garten, das ist meins."

Er ist jetzt nicht mehr Bäckermeister, sondern Landschaftsgärtner. Die Grundschule am Mühlenweg verfügt über einen riesigen Schulgarten, den Landwirtschaftsmeisterin Suzanne Petermeyer mit Hilfe der Schüler*innen aufgebaut hat. Sie bauen hier nicht nur ihr eigenes Obst und Gemüse an, sondern machen auch ihr eigenes Heu. Finn baut heute mit einigen Kindern aus der 3. Klasse aus alten Ziegelsteinen ein weiteres Hochbeet. Damit die Steine gut aneinander haften bleiben, zeigt Finn den Kindern, wie man aus Sand und Wasser einen sämigen Matsch anrührt. Den verteilen sie dann als Mörtelersatz zwischen den Steinen. Auf die Frage, was sein Traumjob ist, zögert Finn keine Sekunde. "Genau hier. Grundschule, Garten, das ist meins."

Finns freiwilliges soziales Jahr endet bald

Wenn der Unterricht zu Ende ist, wird aus dem Landschaftsgärtner ein Hausaufgabenbetreuer. Wenn es nach Finn gehen würde, hätte die Arbeitswoche sieben Tage. "Wochenende ist voll langweilig, lieber Arbeit", sagt er und strahlt über beide Ohren. Sein freiwilliges soziales Jahr endet mit dem Beginn der Sommerferien. Aber Finn hat schon einen Plan für danach.

Finns Traumjob ist gesichert

Er hat wird an einem Modellprojekt teilnehmen. Erstmals werden in der Region Hannover drei Menschen mit Down-Syndrom an einer Berufsschule unterrichtet. Zwei Tage die Woche wird Finn zur Schule gehen und an drei Tagen ein Praktikum absolvieren. Und zwar hier an der Grundschule am Mühlenweg in Hannover-Misburg. Das Lehrer-Kollegium und die 364 Schüler*innen freuen sich, dass Finn somit auch nach den Sommerferien weiterhin zu ihrem Team gehört.

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 28.06.2023 | 19:30 Uhr

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