Wie eine Werkstatt aus Angerstein Menschen in der Ukraine hilft
In der "Werkstatt am Ende des Universums" in Angerstein (Landkreis Northeim) wird ein Rettungswagen für Intensivpatienten umgerüstet. Das Besondere: Das Fahrzeug soll Schwerverletzte in der Ukraine transportieren.
Werkzeuge, Maschinen, eine Hebebühne: Der Rettungswagen passt gerade so in die kleine Autowerkstatt in Angerstein. Eigentlich sieht er aus wie ein normaler Krankenwagen. Was ihn zum Transporter für Intensivpatienten macht, steckt im Detail. Kfz-Meister Peter Dohrmann und sein Kompagnon, Kfz-Mechatroniker Andriy Kotsur, haben gerade eine kräftige Standheizung eingebaut. Und die ist auch nötig.
Rettungswagen für Brandopfer oder schwer verletzte Kinder in der Ukraine
"Die Standheizung ist so stark, dass sie den Innenraum, in dem die Patienten transportiert werden, auf 36 Grad aufheizen kann", erklärt Peter Dohrmann. Und das sei auch zwingend nötig. "Wir transportieren damit in der Ukraine zum Beispiel Brandopfer oder Kinder mit schwersten Verletzungen, da brauchen wir diese hohen Temperaturen, damit die Patienten nicht unterkühlen", sagt Sohn Maxim Dohrmann.
230-Volt-Steckdosen für medizinische Geräte
Den Rettungswagen und die Materialien für den Umbau stellt die Organisation "Artesans ResQ". Sie organisiert und führt Intensivtransporte in der Ukraine durch. Maxim Dohrmann ist eigentlich Notfallsanitäter für die Hamburger Feuerwehr. Seine Arbeitszeiten dort hat er aber reduziert, um regelmäßig kritische Patienten in der Ukraine für "Artesans ResQ" zu fahren - bald dann auch mit dem zweiten Spezial-Krankentransporter aus der väterlichen Kfz-Werkstatt in Angerstein. Überall im Wagen sind genormte Metallschienen angebracht, damit Spritzenpumpen - sogenannte Perfusoren - sowie leistungsstarke Beatmungsgeräte oder Defibrillatoren angebracht werden können. 230-Volt-Steckdosen sorgen dafür, dass den medizinischen Geräten während der Fahrt nicht der Saft ausgeht und die Notfallsanitäter ihre Patientinnen und Patienten zuverlässig versorgen können.
UN: Seit Kriegsbeginn mehr als 8.000 Zivilisten getötet
"Nachdem im Januar ein Hubschrauber über einem Kindergarten und einem Wohnhaus abgestürzt ist, durch einen Unfall, haben wir eine Frau und zwei Kinder mit schweren Brandverletzungen transportiert", sagt Maxim Dohrmann und zeigt Bilder auf einem Tablet. Nach offiziellen Zahlen der Vereinten Nationen (UN) sind seit Beginn des Krieges mehr als 8.000 Zivilisten getötet und knapp 13.400 verletzt worden.
"Artesans ResQ" unterstützt Krankentransporte in der Ukraine
Mit einer transparenten Kunststoffkiste in der Hand kommt Carsten Stern in die Werkstatt. Er ist der Geschäftsführer von "Artesans ResQ" und bringt weitere Perfusoren, die noch eingebaut werden sollen. Die Organisation habe sich gegründet, um in der Ukraine das Transportsystem für kritische Patienten zu unterstützen und Personal vor Ort fortzubilden. Maxim Dohrmann habe sich schon immer gerne ehrenamtlich engagiert, sagt er. Als der Krieg losging, hat er sich mit Andriy Kotsur auf den Weg gemacht, um Freunde des Mechatronikers abzuholen - denn Andriy Kotsur kommt ursprünglich selbst aus der Ukraine. "Und da war klar: Wir müssen hier irgendwie helfen", sagt Dohrmann.
"Wir können einen Beitrag für die Menschen leisten"
Zum Schluss wartet die letzte Herausforderung des Tages: Der Intensiv-Rettungswagen muss aus der Werkstatt auf den Hof gefahren werden. Weil das Tor ein paar Zentimeter zu niedrig für den großen Kastenwagen ist, lassen Peter Dohrmann und Andriy Kotsur die Luft aus den Reifen und platzieren zusätzlich auf der hinteren Stoßstange große Kanister mit Wasser. So passt der Wagen gerade so durchs Tor. Bald kann er nun von der "Werkstatt am Ende des Universums" in die Ukraine fahren. "Wir können an dem Krieg nichts ändern, aber wir können einen Beitrag leisten für die Menschen dort," sagt Maxim Dohrmann. Und sein Vater ergänzt: "Ich hoffe, dass möglichst vielen damit geholfen wird und der Krieg irgendwann zu Ende geht."