Von Brücke geworfen? Wende im Fall des Jungen aus der Ukraine

Stand: 08.09.2023 11:25 Uhr

Nach dem Sturz eines ukrainischen Kindes von einer Brücke in Einbeck geht die Staatsanwaltschaft Göttingen nicht mehr von einer Straftat aus. Offenbar hat der Zehnjährige nicht die ganze Wahrheit gesagt.

Der Vorwurf, ein russischer Mann habe den Jungen von der Brücke geworfen, weil der Zehnjährige ukrainisch gesprochen habe, habe sich bisher nicht bestätigt, teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Offenbar habe sich der Junge beim Spielen am Kanal verletzt. Ob es dabei zu einem Streit zwischen dem Jungen und einem Mann gekommen war, sei aber offen. Auch sei der Junge wohl nicht geschubst worden, sondern habe auf einem Geländer das Gleichgewicht verloren, vermuten die Ermittler. Der Junge könnte sich die Geschichte demnach ausgedacht haben, um zu Hause keinen Ärger für seine verschmutzte Kleidung zu bekommen.

Akten liegen auf einem Tisch. © picture alliance/dpa Foto: Swen Pförtner
AUDIO: Zehnjähriger stürzt von Brücke in Einbeck - neue Erkenntnisse (2 Min)

Ermittlungen wegen versuchten Totschlags

Ende vergangener Woche hatte die Staatsanwaltschaft Göttingen wegen versuchten Totschlags gegen einen unbekannten Mann ermittelt. Der Verdächtigte sollte den Angaben zufolge den zehnjährigen Jungen von der Brücke in einen Kanal geworfen haben. Zuvor soll der Mann die Kinder angesprochen und sich beschwert haben, dass diese Ukrainisch statt Russisch sprechen. Den mutmaßlichen Angriff auf das ukrainisch sprechende Kind wertete die Justiz auf Grundlage der damaligen Erkenntnisse als politisch motiviert. Die Informationen der Ermittler über den Tathergang beruhten auf den Aussagen eines beteiligten deutsch sprechenden Mädchens. Anfang dieser Woche kamen dann laut Staatsanwaltschaft Zweifel an den Berichten über das Geschehen an der Brücke im Landkreis Northeim auf.

Zunächst wenig Zweifel an der Darstellung der Kinder

Weder Polizei noch Staatsanwaltschaft hatten laut einem Sprecher der Staatsanwaltschaft zunächst Anhaltspunkte, an den ersten Aussagen der Kinder zu zweifeln. Am Tatort habe es entsprechende Spuren, darunter Blutspuren, gegeben, hieß es. Der Junge, der über das Geländer geworfen worden sein soll, war auch tatsächlich im Krankenhaus, es gebe einen Arztbericht. Der Vorfall hatte sich am 26. August ereignet.

Ob es den Unbekannten wirklich gegeben hat, ist unklar

Nach der Vernehmung weiterer Zeugen ist laut Staatsanwaltschaft aktuell davon auszugehen, dass der Junge sich zunächst beim Spielen am Kanal einen Fuß an einer Scherbe oder einem anderen scharfen Gegenstand aufgeschnitten hat. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte es tatsächlich zu einem Streit zwischen dem Zehnjährigen und einem Mann gekommen sein, der in Begleitung einer Frau und drei Kindern gewesen sein soll. Ob es diesen Unbekannten wirklich gegeben habe und welche Rolle er bei den Geschehnissen an der Brücke spielte, sei aber unklar. Die Göttinger Staatsanwaltschaft will das Verfahren wegen versuchten Totschlags gegen Unbekannt einstellen.

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