Undichte Fenster und Schimmel: Die TU Braunschweig bröckelt
Die Technische Universität Braunschweig (TU) ist marode: Zwei Drittel aller Gebäude sind älter als 50 Jahre - und die bröckeln so langsam vor sich hin. Die Präsidentin der TU schlägt nun Alarm.
Wer das Physik-Gebäude der Uni betritt, der kann kaum glauben, dass hier wirklich Spitzenforschung betrieben werden soll. Schon beim Betreten fallen die maroden, ausgeblichenen Türen auf, die Steckdosen in den Hörsälen sind von anno dazumal, und in der Metallwerkstatt kriecht die Feuchtigkeit an den Wänden hoch bis auf Kniehöhe. Dort zieht man an diesem Vormittag deshalb die Reißleine. Bandsäge, Dreh- und Fräsmaschine - alle tonnenschweren Geräte müssen raus und in ein oberes Stockwerk transportiert werden.
TU Braunschweig: 700 Millionen Euro Sanierungsstau
"Feuchtigkeit ist immer schlecht für solche Maschinen", sagt Marco Prystawek, der den Umzug leitet. "Wenn sie korrodieren, messen sie nicht mehr genau." Mit einem Gabelstapler holt er vorsichtig eine Maschine nach der nächsten aus der Metallwerkstatt. Das Physikzentrum ist wie viele der anderen 150 Gebäude der TU Braunschweig ziemlich heruntergekommen. Mittlerweile liegt der Sanierungsstau für alle Gebäude der TU bei mehr als 700 Millionen Euro, sagt Torsten Markgräfe vom Gebäudemanagement.
Und dann schießt das Wasser durch die Decke
Die Feuchtigkeit komme aber nicht nur von unten, sondern auch von oben, sagt Physikstudentin Laura Patzke. Vor einigen Monaten habe es sogar durch die Decke geregnet. "Ich habe in dem Hörsaal kurz zuvor noch ein Kolloquium gehalten", erzählt die 25-Jährige noch immer schockiert. "Kurz darauf kamen die Deckenpanele runter und das Wasser schoss durch die Decke." Für sie und ihren Kommilitonen Janik Marsel ist die Situation belastend. "Wir sollen hier gute Forschung machen und mal gute Jobs finden, aber das Gebäude spiegelt das so gar nicht wider", beklagt Marsel. "Da fehlt schon ein bisschen die Wertschätzung."
Neubau Physik: Studierende bleiben bis 2027 im maroden Gebäude
"Wir bräuchten pro Jahr 35 bis 40 Millionen Euro, um die Gebäude überhaupt instand zu halten", rechnet die Präsidentin der TU Braunschweig, Angela Ittel, vor. "Wir bekommen vom Land aber nur 4,1 Millionen Euro. Daran sieht man, wie wenig wir handlungsfähig sind." Und Torsten Markgräfe vom Gebäudemanagement ergänzt: "Wenn es durchs Dach regnet, dann muss man das sofort reparieren, sonst hat man gleich erhebliche Folgeschäden." Sein bitteres Fazit: Das Physikzentrum ist nicht mehr zu retten, kann nur noch abgerissen werden. Ein Neubau ist schon bewilligt. Der allerdings ist frühestens Mitte 2027 bezugsfertig - bis dahin müssen die Studierenden und Mitarbeitenden noch in dem maroden Physik-Altbau ausharren.
Internationale Wissenschaftler wollen nicht nach Niedersachsen
Als Vorbild für Niedersachsen nennt TU-Präsidentin Angela Ittel Hessen. Dort habe man mit dem "Heureka-Programm" einen Investitionsplan für die zwölf Hochschulstandorte mit einem Volumen von drei Milliarden Euro entwickelt. "Auch in Niedersachsen müssen wir nun schnell Entscheidungen treffen und rascher planen", mahnt sie. Denn das Problem werde nicht kleiner, sondern eher größer. Sie habe schon selbst gemerkt, wie schwierig es sei, internationale Spitzenforschende an die niedersächsischen Unis zu holen. "Die wollen nicht in so maroden Laboren arbeiten", sagt sie.
Universitäten in Niedersachsen | Sanierungsstau in Millionen Euro |
---|---|
Universität Göttingen | 871,7 |
Universität Hannover | 832,8 |
TU Braunschweig | 677,38 |
Universität Oldenburg | 440,7 |
Universität Osnabrück | 365,6 |
Niedersachsen: Sanierungsstau von sechs Milliarden Euro an Unis
Wissenschaftsminister Falko Mohrs spricht von einer "echten Mammutaufgabe". Sein Ministerium stelle zwischen 2021 und 2028 jährlich insgesamt rund 110 Millionen Euro zur Verfügung. Hinzu kämen rund 298 Millionen Euro zusätzliche Mittel aus Sondervermögen in den Jahren 2018 bis 2028, um dem Verfall einigermaßen entgegenzuwirken. Doch ob das reicht, darf bei einem Sanierungsstau von mindestens sechs Milliarden Euro an niedersächsischen Hochschulen bezweifelt werden. Für die beiden Physikstudenten Laura Patzke und Janik Marsel kommt das jedenfalls alles zu spät. Sie werden schon bald mit ihrem Physikstudium in Niedersachsen fertig sein.