Ein Göttinger Professor ist wegen Nötigungsvorwürfen vor Gericht. © NDR Foto: Wieland Gabcke

Schläge auf Gesäß: Weitere Nötigung durch Göttinger Uni-Professor?

Stand: 29.01.2024 16:00 Uhr

Der Professor war bereits dafür verurteilt worden, eine Doktorandin mehrfach geschlagen zu haben. Zwei Fälle muss sich das Landgericht Göttingen nochmal genauer ansehen. Es geht um Nötigung.

von Wieland Gabcke

Der zweite Prozess startete mit einem Rückblick auf das erste Urteil des Landgerichts Göttingen. Zehn Mal hatte der Göttinger Professor nach Ansicht des Gerichts seine Doktorandin geschlagen. So soll es abgelaufen sein: hinter verschlossenen Türen, wenn niemand mehr im Institut war, mit einem Bambusstock oder mit der Hand auf das teilweise unbekleidete Gesäß oder die Waden. Die Doktorandin hatte im ersten Prozess ausgesagt, der Professor habe die Schläge mit angeblichen Fehlern begründet, für die sie bestraft werden müsse. Und er habe mit dem Aus für ihre Promotion gedroht. Das Landgericht hielt die Schilderungen der Doktorandin für glaubwürdig und verurteilte den Professor wegen Amtsmissbrauchs, gefährlicher Körperverletzung im Amt und Nötigung zu elf Monaten Haft auf Bewährung. Bei zwei Fällen aus dem Jahr 2015 sah das Gericht aber nur Körperverletzung und keine Nötigung, weil der Professor hier keine Drohung ausgesprochen haben soll.

Göttinger Professor entschuldigt sich für "Patscher"

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte dieses Urteil größtenteils, trug dem Landgericht aber auf, die beiden Fälle aus 2015 erneut auf Nötigung zu prüfen. Für den Professor gehe es dabei um seine Existenz, erklärte seine Anwältin Susanne Frangenberg im Gericht. Denn bei einer Strafe von mehr als einem Jahr würde er seinen Beamtenstatus automatisch verlieren. Im neuen Prozess räumte der Professor über seine Anwältin "Patscher" mit der flachen Hand auf das Gesäß ein. "Wenn es sich um wuchtige Schläge gehandelt hat, schämt er sich zutiefst", erklärte Frangenberg. Ihr Mandant bedauere aufrichtig, was er der Doktorandin angetan habe. Eine Nötigung wies der Professor aber erneut zurück, es sei bei den Schlägen um "Fleiß, Fokus und Konzentration" gegangen, hieß es. Wie bereits im ersten Prozess vertraten der Professor und seine Verteidigung die Ansicht, es habe sich um ein Bestrafungsritual zur Leistungssteigerung gehandelt. Die Doktorandin habe ihm von solchen Ritualen aus ihrer Heimat Vietnam berichtet.

Doktorandin widerspricht Aussage des Professors

Die ehemalige Doktorandin wies das in ihrer Zeugenaussage abermals zurück. "So etwas wäre in Vietnam ein Skandal", betonte sie. Zu den Schlägen sagte sie einerseits aus, der Professor habe ihr 2013 mitgeteilt, sie einmal im Monat zu schlagen für ein Jahr. Sie sei aber auch sonst besorgt gewesen, "dass er einen Grund finden würde, mich zu bestrafen". Denn egal, wie gut sie sei, er würde immer einen Grund finden, sie zu schlagen. Mit dieser Sorge sei sie auch in die Treffen im Büro des Professors im Jahr 2015 gegangen. Die Verteidigung hielt diese Aussagen der ehemaligen Doktorandin für widersprüchlich und unglaubwürdig. Deshalb stellte sie den Antrag, dass ein Gutachter über Züchtigungsrituale an Schulen in Vietnam berichten solle. Außerdem stellte die Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen eine Schöffin, weil diese sich frauenpolitisch engagiert.

An vorherige Urteile gebunden: Landgericht lehnt Verteidiger-Anträge ab

Das Gericht lehnte den Beweisantrag und den Befangenheitsantrag ab. Was die Befragung der ehemaligen Doktorandin angehe, sei wegen des BGH-Urteils "die Messe gelesen", so der Vorsitzende Richter. "Ich glaube, wir kommen zu sehr in die eigentlich bereits durchgeführte Beweisaufnahme hinein, da meine ich, ist eine Bindungswirkung eingetreten für das, was eigentlich schon festgestellt worden ist", erklärte er. Das Gericht müsse davon ausgehen, dass es in den vorangegangenen Treffen - also vor den beiden Vorfällen 2015 - bereits eine Drohung gegeben habe. "Das mag sein, dass die Verteidigung das anders sieht, aber es ist bereits so festgestellt worden", machte der Richter deutlich. Damit legte die Kammer den Fokus auf die eigentliche, zu klärende Frage: Waren die beiden Vorfälle im Jahr 2015 Nötigung oder nicht? Spätestens am 22. Februar soll das Urteil fallen.

Ehemalige Doktorandin lehnt Schmerzensgeld für die Schläge ab

Am Rande des Prozesses kam noch heraus, dass der Professor seiner ehemaligen Doktorandin 7.000 Euro Schmerzensgeld über einen Täter-Opfer-Ausgleich angeboten hatte. "Es geht mir nicht um Geld, ich möchte ihn vor Gericht sehen", sagte die Geschädigte dazu im Zeugenstand. Über ihren Anwalt Steffen Hörning ließ sie erklären, dass sie das Geld nicht annehmen wolle. Es handle sich aus ihrer Sicht um ein taktisches Manöver und keine aufrichtige Entschuldigung. Der Professor ließ dann über seinen Anwalt Steffen Stern die 7.000 Euro auf das Konto von Anwalt Hörning überweisen - mit der Bitte, es an die ehemalige Doktorandin weiterzuleiten. Hörning erklärte anschließend, auf Wunsch seiner Mandantin habe er das Geld an den Professor zurück überwiesen.

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