Schläge auf Gesäß: Strafmaß für Göttinger Uni-Professor erhöht
Das Landgericht Göttingen hat einen gewalttätigen Uni-Professor zu einem Jahr und sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Damit könnte er seinen Beamtenstatus verlieren.
Der Angeklagte habe seine ehemalige Doktorandin zweimal in seinem Büro mit Schlägen auf das unbekleidete Gesäß nicht nur körperlich verletzt und der Freiheit beraubt, sondern auch schwer genötigt. Das sei "eine Demütigung ersten Ranges" gewesen, sagte der Vorsitzende Richter am Donnerstag. Darüber hinaus habe der Professor nach einem Muster gehandelt. Bereits zuvor habe er die Doktorandin mehrfach durch Drohungen gedrängt, sich von ihm schlagen zu lassen, urteilte die Kammer.
Richter: Qualitätssprung - ab der fünften Tat
Zehn Vorfälle, bei denen der Professor seine Doktorandin geschlagen hatte, waren bereits im ersten Verfahren festgestellt und vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt worden. "Und da gab es ab der fünften Tat einen Qualitätssprung, indem Sie sie dazu gedrängt hatten, quasi blank zu ziehen", rügte der Richter. Das sei so demütigend, wie man es sich kaum vorstellen könne. Dabei habe der Professor auch seine Pflichten als Beamter verletzt. "Es ist klar, dass sie es nicht wollte und der Angeklagte hat sie trotzdem immer wieder dazu gezwungen", so der Richter. Neben der Bewährungsstrafe muss der Professor mehrere Hundert Euro an drei betroffene Frauen zahlen, darunter die ehemalige Doktorandin. Außerdem muss er 1.000 Euro an das Frauenhaus Göttingen zahlen.
Professor droht nach rechtskräftigem Urteil Verlust des Beamtenstatus
Es war bereits der zweite Prozess in dem Fall. Im ersten hatte das Landgericht in beiden Fällen keine Nötigung gesehen und den Professor zu elf Monaten Haftstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte diesen Teil des Urteils aber aufgehoben. Wenn das aktuelle Urteil des Landgerichts rechtskräftig wird, verliert der Professor seinen Beamtenstatus. Er hat nun die Möglichkeit, Revision gegen die Entscheidung einzulegen. Dann läge der Fall wieder beim Bundesgerichtshof. Die Universität Göttingen teilte mit, man begrüße das Urteil des Landgerichts und warte nun, dass es rechtskräftig werde. "Sobald das Urteil rechtskräftig ist, endet das Beamtenverhältnis des Hochschullehrers ohne weiteres Verfahren", heißt es in einer Mitteilung. Eine am Verwaltungsgericht Göttingen anhängige Disziplinarklage der Universität wäre dann hinfällig. Sie hatte dem Professor nach Bekanntwerden der Taten 2017 das Ausführen der Dienstgeschäfte verboten und versucht seitdem, ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
Strafmaß dicht an Forderung der Staatsanwaltschaft
Das Gericht ist mit dem Strafmaß nahezu der Forderung der Staatsanwaltschaft gefolgt. Diese hatte bereits im ersten Prozess im Jahr 2022 eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung verlangt - wegen Nötigung, Körperverletzung im Amt und Freiheitsberaubung. Die Nebenklage schloss sich dieser Forderung an. Die Verteidigung hatte hingegen dafür plädiert, es beim bisherigen Strafmaß von elf Monaten auf Bewährung zu belassen - und ist damit gescheitert.
Nebenklage und Geschädigte begrüßen das Urteil
Steffen Hörning, der Anwalt der geschädigten ehemaligen Doktorandin, begrüßte das Urteil. "Die Urteilsbegründung ist an Klarheit und Deutlichkeit nicht zu überbieten", so der Anwalt. Auch seine Mandantin zeigte sich nach dem Urteil zufrieden. In seinem Plädoyer war Hörning mit der Verteidigung hart ins Gericht gegangen. Dass die Schläge von der Verteidigung nun als "Patscher" bezeichnet wurden, sei die größte Unverschämtheit in seinen Augen. Seine Mandantin habe, anders als von der Verteidigung dargestellt, immer von Schlägen gesprochen. Die Entschuldigung des Professors und der parallel zum Gerichtsverfahren angebotene Täter-Opfer-Ausgleich seien unaufrichtig gewesen. Es sei dem Professor darum gegangen, seine Pensionsansprüche als Beamter zu retten. Wenn er im ersten Gerichtsverfahren ein Wort der Reue oder des Bedauerns gezeigt hätte, wäre seine Mandantin möglicherweise aufgeschlossener gewesen für einen Täter-Opfer-Ausgleich, so Hörning. Nun habe seine Mandantin das Angebot abgelehnt. Auch weil die Verteidigung versucht habe, ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Etwa durch Beweisanträge, die belegen sollten, dass seiner Mandantin Schläge als Bestrafungsrituale aus ihrer Heimat Vietnam bekannt gewesen sein müssten. "Das hat mir tatsächlich die Sprache verschlagen", so Hörning. Die Verteidigerin habe das Bild der "unterwürfigen Asiatin" gezeichnet, was Anwalt Hörning als rassistisch und sexistisch bezeichnete.
Verteidigung will sich nicht äußern
Der Professor, Verteidigerin Susanne Frangenberg und ihr Kollege Steffen Stern wollten sich nach dem Urteil nicht äußern. In ihrem Plädoyer hatte Frangenberg die Rassismus- und Sexismusvorwürfe entschieden zurückgewiesen. Sie habe auch nicht die Geschädigte diskreditieren wollen. Die Anwältin erklärte, sie habe als Verteidigerin die Pflicht, die Interessen ihres Mandanten zu vertreten und auf Widersprüche im Verfahren hinzuweisen. Frangenberg und ihr Kollege Steffen Stern hatten dafür plädiert, das Strafmaß so zu belassen wie es ist, auch weil die Vorfälle schon über acht Jahre zurückliegen. Sozial sei der Professor bereits ruiniert, die Ehe zerstört, das Haus weg, die Söhne auf Distanz, auch wegen des Presserummels, hatte Frangenberg erklärt. Der renommierte Strafverteidiger Steffen Stern hatte sich in seinem Plädoyer dagegen verwehrt, die ehemalige Doktorandin hätte durch den angebotenen Täter-Opfer-Ausgleich verhöhnt werden sollen. "Die Verteidigung verhöhnt niemanden, aber Staatsanwaltschaft und Gericht sollen zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens einen Ausgleich prüfen", sagte Stern mit Verweis auf die Strafprozessordnung. Er hatte erfolglos dafür plädiert, die Frage nach dem Beamtenstatus dem Verwaltungsgericht zu überlassen.
"Messe gelesen": Gericht lehnt Anträge der Verteidigung komplett ab
Die Verteidigung hatte auch zahlreiche Beweisanträge gestellt, durch die sich das Verfahren verzögerte. Die Verteidiger hielten gleich zu Beginn eine der Schöffinnen für befangen, weil sie sich als Kommunalpolitikerin bei den Grünen für Frauenrechte engagiert und im Bundesfrauenrat aktiv war. Sie stellten auch den Antrag, einen Sachverständigen zu Bestrafungsritualen durch Schläge an Schulen in Vietnam anzuhören, nachdem die ehemalige Doktorandin als Zeugin verneint hatte, solche Rituale zu kennen oder mit ihrem Professor darüber gesprochen zu haben. Ebenso forderten sie, Einsicht in ein Protokoll der ehemaligen Doktorandin zu bekommen. Das Gericht lehnte alle Anträge der Verteidigung ab. Der Richter erklärte, was die Zeugin angehe, sei "die Messe gelesen". Er verwies darauf, dass der Bundesgerichtshof den Hergang der Übergriffe bereits bestätigt hat. Wörtlich heißt es im BGH-Urteil dazu, "angesichts der detaillierten Aussage der Nebenklägerin haben die Feststellungen zum objektiven Geschehen Bestand". Daran orientierte sich die Kammer auch in dem neuen Urteil.
Lange Vorgeschichte: Schläge mit dem Bambusstock und der Hand
In der ersten Instanz war der Professor bereits wegen Nötigung, Körperverletzung im Amt und Freiheitsberaubung verurteilt worden. Mehrere Frauen, darunter die ehemalige Doktorandin, hatten gegen den Professor ausgesagt. Es ging um Schläge auf das Gesäß, teilweise mit einem Bambusstock, und auf die Brust. Aussagen, die das Landgericht Göttingen für glaubwürdig hielt. Der Professor hatte die Taten zwar eingeräumt, im Falle der Doktorandin aber von einvernehmlichen Schlägen gesprochen. Das Landgericht Göttingen hielt das damals wie heute für unglaubwürdig. Es sei dem Professor um Machtmissbrauch gegangen und die Schläge seien teilweise auch sexuell motiviert gewesen, hieß es in dem Urteil 2022. Der BGH hob es dann in zwei Fällen auf, weil eine Nötigung nicht ausreichend geprüft wurde. Vor dem Landgericht ging es deshalb erneut um zwei Vorfälle aus dem Jahr 2015. Der Professor und die Doktorandin trafen sich damals in seinem Büro. Er verschloss die Tür, forderte sie auf, ihr Gesäß zu entblößen und schlug sie dann mit der Hand auf das nackte Gesäß. Angeblich, um sie auf ihr späteres Berufsleben vorzubereiten. Diese Taten des Professors bezeichnete die Kammer als schweren Fehler, den er sich habe zukommen lassen. Dass sie sich in irgendeiner Form freiwillig haben schlagen lassen, dafür habe die Kammer keinen schlüssigen Grund gefunden. Für den Professor ist das Urteil eine Niederlage. Ob er Revision einlegen werde, dazu wollte sich der Verurteilte nicht äußern.