Nach Kritik an Bischof: Wolfenbütteler solidarisieren sich mit Pfarrer
Verläuft die Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs im Bistum Hildesheim zu zögerlich? Wolfenbüttels Pfarrer hat dies öffentlich kritisiert. Nun wurde bekannt, dass er sein Amt räumen soll. Das sorgt für Empörung.
Pfarrer Matthias Eggers, der Betroffene von sexueller Gewalt seit Jahren begleitet, hatte der Bistumsleitung in einem Interview mit der "Hildesheimer Allgemeinen Zeitung" mangelnden Aufklärungswillen bei Missbrauch vorgeworfen. Bischof Heiner Wilmer habe nach seinem Amtsantritt erklärt, mit Blick auf den Missbrauchsskandal "jeden Stein umdrehen zu wollen". Ihn habe das beeindruckt, hatte Eggers der Zeitung gesagt. Aber es sei "eine verbale Fassade" errichtet worden. "Der Wille zur schonungslosen Aufklärung und Aufarbeitung ist weiterhin nirgends wirklich vorhanden." Am Sonntag besuchten daraufhin gut 1.000 Menschen den Gottesdienst in der St. Petrus-Kirche. Eggers sagte dem NDR Niedersachsen danach, es bewege ihn, wie die Gemeinde das Thema Missbrauch aufgreife und konsequente Aufarbeitung einfordere.
Freiwillig gehen oder Amtsenthebungsverfahren
Die Gemeinde teilte im aktuellen Pfarrbrief mit, dass in der vergangenen Woche ein Gespräch zwischen Pfarrer Eggers und Bischof Heiner Wilmer stattgefunden habe. Dort heißt es: "Bischof Wilmer hat Pfarrer Eggers gebeten, freiwillig eine Auszeit zu nehmen und sein Amt als Pfarrer von St. Petrus zur Verfügung zu stellen. Er habe dem Volk Gottes großen Schaden zugefügt. Anderenfalls behalte er sich vor, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Pfarrer Eggers hat bis zum 7. Juni Zeit, eine Entscheidung zu treffen."
Bistum: Termin mit Eggers stand schon vor Interview fest
Ein Sprecher des Bistums Hildesheim teilte dem NDR Niedersachsen mit, dass ein Personalgespräch stattgefunden habe und darin die Bitte eines freiwilligen Amtsverzichts geäußert worden sei. Eggers habe 15 Tage Zeit, sich zu entscheiden, ob er auf sein Leitungsamt verzichten will. Zu möglichen Konsequenzen, falls er dem nicht zustimmt, wollte sich der Sprecher nicht äußern. Er wies zudem darauf hin, dass das Bistum den Termin schon vor der Veröffentlichung des Zeitungsinterviews anberaumt habe. Es gebe seit Jahren Gespräche über einen turnusmäßigen Wechsel des Pfarrers aus seiner Gemeinde. Matthias Eggers ist seit 2006 in Wolfenbüttel.
Betroffenenrat steht hinter Eggers
Der Betroffenenrat Nord, der aus Personen besteht, die direkt oder als Angehörige von sexueller Gewalt durch Priester oder andere Mitarbeiter der katholischen Kirche betroffen sind, stellte sich hinter Eggers. Der Pfarrer werde von vielen Betroffenen im Bistum und darüber hinaus sehr geschätzt, teilte der Rat am Montag mit - "da er Sprachräume für das oft Unsagbare eröffnet, zuhört, sich persönlich engagiert, Betroffene begleitet, kurz: Ein Seelsorger ist. Deshalb suchen etliche Betroffene aktiv den Kontakt zu ihm."
"Missbrauch, Vertuschung, Täterschutz schaden dem Volk Gottes"
Beim Betroffenenrat stößt das Vorgehen des Bistums auf Unverständnis. "Das Bistum Hildesheim will sich für schonungslose Aufarbeitung einsetzen, der Bischof 'jeden Stein umdrehen' - und wirft dem Priester, der sich so konsequent wie kein anderer Geweihter im Bistum Hildesheim für die Betroffenen einsetzt, vor, dem Gottesvolk zu schaden!?" Vielmehr sei es so: "Missbrauch, Vertuschung, Täterschutz schaden dem Volk Gottes und der Glaubwürdigkeit der Kirche - Mitgefühl, Engagement und Kritik, mag sie auch scharf sein, nicht!"
Bürgermeister: "Völlig übertriebene Reaktion"
Auch der Bürgermeister von Wolfenbüttel Ivica Lukanic (parteilos) hat sich in den Konflikt eingeschaltet. In einem offenen Brief an Bischof Wilmer fordert der Kommunalpolitiker den Bischof auf, weiterhin den Diskurs zu suchen und nicht durch Personalentscheidungen zu beenden. "Ich glaube, dass Pfarrer Eggers durch sein mutiges Handeln und seine Bereitschaft, Missstände öffentlich anzusprechen, einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung von Missbrauchsfällen leistet und nicht, wie Sie behaupten, 'dem Volk Gottes großen Schaden zugefügt' hat. Mit Verlaub, dies machen Sie mit Ihrer völlig übertriebenen Reaktion", schrieb der Bürgermeister. Gemeindemitglieder in Wolfenbüttel möchten sich nun mit einer Unterschriftenaktion für den Pfarrer einsetzen.