Kritik an Urteil zu Mord in Einbeck: Strafe für Ehemann zu "mild"
13 Jahre Haft lautet das Urteil des Landgerichts Göttingen für einen 51-Jährigen. Laut Gericht hat er seine Ehefrau heimtückisch erschossen. Dass er nicht lebenslänglich erhielt, sorgt für Kritik.
"Wenn das Gericht diesen Mann hart bestraft, ist das für uns auch ein Signal für alle Frauen, nicht nur für meine Schwester", sagte Süad Ismail, eine Schwester der getöteten Besma A. Das war vor dem Urteil am Landgericht Göttingen. Nach dem Urteil sind die Angehörigen fassungslos. Sie hatten lebenslange Haft für den 51-Jährigen gefordert, der im April 2020 seine Ehefrau, die damals 27 Jahre alte dreifache Mutter Besma A. erschossen hatte. "Es war tatsächlich etwas niederschmetternd für die Familie, dass das Urteil relativ milde ausgefallen ist", sagt Yana Tschelpanova, die Anwältin der Angehörigen. Wenn man bedenke, dass lebenslänglich bei Mord die Regelstrafe ist, sei das Urteil nicht gerecht, so die Anwältin. Die Angehörigen wollen deshalb vor den Bundesgerichtshof ziehen.
Landgericht Göttingen: Prozess mit besonderen Umständen
Das Gericht begründet die Entscheidung mit den besonderen Umständen des Verfahrens. "Die Untersuchungshaft hat ungewöhnlich lange gedauert", so der Richter. Über zwei Jahre zog sich der Prozess. "Das geht deutlich über das hinaus, was die Kammer sonst verhandelt hat", stellte der Richter fest. Was ihm zufolge auch an den zahlreichen Beweisanträgen gelegen hat, die von den Verteidigern des Verurteilten immer wieder gestellt wurden. Die Verteidiger wollten sich dazu und zu dem Urteil nicht äußern.
Vermindert schuldfähig, daher nicht lebenslänglich
Im Strafrecht ist es möglich, die für Mord übliche, lebenslängliche Haftstrafe zu mildern - wenn etwa eine verminderte Schuldfähigkeit vorliegt. So entschied auch das Landgericht Göttingen, weil der Verurteilte zum Tatzeitpunkt wahrscheinlich schon alkoholisiert war. "Verminderte Schuldfähigkeit konnten wir deshalb nicht ausschließen", so der Richter. Die Kammer hält dem 51-Jährigen auch zugute, dass er sonst noch nicht straffällig geworden ist und ein Teilgeständnis abgelegt hat. Die Waffe hatte der Mann aber illegal erworben und besessen. Dafür wurde er ebenfalls verurteilt.
Kopfschuss kann kein Versehen gewesen sein
Der 51-Jährige hatte behauptet, seine Frau beim Reinigen seiner Waffe aus Versehen erschossen zu haben. Da die Waffe aber drei Sicherungssysteme hat, hält das Gericht ein Versehen für unwahrscheinlich. In diesem Punkt folgt es der Sicht der Anklage. Ein Sachverständiger hatte außerdem erläutert, der Schuss muss im Stehen aus kurzer Distanz abgegeben worden sein. Daher hält es das Gericht für ausgeschlossen, dass der Mann seine Frau im Sitzen beim Reinigen der Waffe aus Versehen erschossen haben könnte.
Gericht: Es war ein spontaner, kein geplanter Mord
Laut Gericht sei es aber auch keine geplante Tat gewesen, wie Anklage und Nebenklage vermuteten. Als Besma A. schlafend auf dem Sofa lag, habe der 51-Jährige spontan entschieden, sie zu erschießen. Genau rekonstruieren lässt sich der Tatabend nicht, weil es laut Gericht zu Beginn der Ermittlungen Fehleinschätzungen gegeben habe. Als Motiv für den Mord führt der Richter eine stark zerrüttete Ehe an. In der Urteilsbegründung zeichnet er das Bild eines ungleichen Paares, mit großem Altersunterschied und ständigen Streitigkeiten. Am Rande erwähnt der Richter, dass der 51-Jährige bereits in einer früheren Ehe durch eine Anzeige wegen häuslicher Gewalt aufgefallen war.
Frauenrechtlerinnen: Todesdrohung und Gewalt wurden ignoriert
Frauenrechtsgruppen bezeichnen den Tod von Besma A. als Femizid. Als Prozessbeobachterinnen und mit Mahnwachen haben sie das Verfahren von Anfang an begleitet. Eine davon ist Jana Faber. Sie begrüßt zwar, dass die Tat als Mord verurteilt wurde. Aber die Ansicht des Gerichts, eine zerrüttete Ehe sei das Motiv gewesen, teilt Faber nicht. "Der Angeklagte war über Jahre gewalttätig gegenüber seiner Frau, hat sie gedemütigt, hat sie geschlagen, hat sie getreten, sie kontrolliert", so Faber. Besma A. sei von ihrem Mann auch mit dem Tode bedroht worden und sie wollte sich von ihm trennen. "Das sind alles Eskalations- und Risikofaktoren im Vorfeld von Femiziden", betont Faber. Es komme immer wieder vor, dass Gerichte diese Funktionsweisen häuslicher Gewalt nicht berücksichtigten. Fraglich ist, ob diese Aspekte bei einer möglichen Revision vor dem Bundesgerichtshof eine Rolle spielen werden.