Kraftwerk Mehrum: Wird hier künftig Gas statt Kohle verfeuert?
Trotz Energiewende noch neue fossile Kraftwerke bauen? Klingt seltsam, in Mehrum (Landkreis Peine) aber könnte in ein paar Jahren ein nagelneues Gasturbinenkraftwerk stehen - und das alte Kohlekraftwerk ersetzen.
Die Kraftwerk Mehrum GmbH hat den Bau eines Gaskraftwerks mit einer Leistung von bis zu 1,2 Gigawatt und bis zu 6.000 Volllaststunden pro Jahr beantragt. Das 1979 in Betrieb genommene Steinkohle-Kraftwerk am Standort Mehrum wird im kommenden Jahr endgültig stillgelegt. Abriss einerseits und Neubau andererseits könnten somit parallel erfolgen. Über diese Pläne wird in der Region zurzeit sehr kontrovers diskutiert.
Scharfe Kritik an den Plänen aus der Politik
Das niedersächsische Umweltministerium sieht wegen der angestrebten Klimaziele keinen Sinn in dem Neubau. Bis 2040 wolle Niedersachsen klimaneutral sein und vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt haben, so Umweltminister Christian Meyer (Grüne). Neue fossile Gaskraftwerke würden grundsätzlich nicht in die Zeit passen, so der Minister.
Initiative steht dem Neubau skeptisch gegenüber
Ina Rust von der "Infogruppe Kraftwerk Mehrum" hält die geplante Anlage für vollkommen überdimensioniert. Sie kritisiert, dass eine riesige Menge Erdgas verbrannt werde und die Abwärme ungenutzt verpuffe. In Zeiten des Klimawandels sei das ein Unding. Auch gebe es noch viele Fragen zu den auf 300 Millionen Euro geschätzten Kosten und der späteren Umstellung auf Wasserstoff.
Energieexperte sieht Idee für Gaskraftwerk positiv
Zustimmung erhält der Betreiber vom Wissenschaftler und Energieexperten Prof. Bernd Engel. Er leitet an der Technischen Universität Braunschweig das Institut für Hochspannungstechnik und Energiesysteme. Gaskraftwerke seien auch künftig als "Notanker" wichtig, zum Beispiel dann, wenn während der Heizperioden künftig viel mehr Wärmepumpen in Betrieb seien, der Ertrag aus Solar- und Windstrom aber schwanke, so Engel. Die Nutzung der Abwärme sei ohnehin zweitrangig. Wenn das Gaskraftwerk nur wenige Tage im Jahr arbeite und später auf Wasserstoff umgestellt werde, sei alles okay, so der Experte.
Betreiber will sich für möglichen Stromausfall wappnen
Die Kraftwerk Mehrum GmbH will mit dem Gaskraftwerk einen möglichen Blackout verhindern. Mit bis zu zwei schnell startenden Gasturbinen könnte das Werk schnell auf sich verändernde Stromerzeugung aus Wind und Sonne reagiert werden, heißt es in einer Stellungnahme. Die Kritik an der ungenutzten Abwärme weist auch der Betreiber zurück. Heizkraftwerke zur Fernwärmeversorgung würden nur dann Strom in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugen, wenn aufgrund der Wetterlage ein Heizwärmebedarf bestehe. Versorgungsengpässe in der Stromversorgung treten jedoch unabhängig vom Wärmebedarf auf, so der Betreiber.
Der Antrag für das Gaskraftwerk wird derzeit in Braunschweig geprüft
Die Bundesregierung will im kommenden Jahr den Bau von Gaskraftwerken ausschreiben. Damit sich der Mehrumer Betreiber darauf bewerben kann, hat er einen Vorbescheid beantragt. Über den Antrag samt Umweltverträglichkeitsprüfung entscheidet das Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig. Bürgerinnen und Bürger konnten bis vergangene Woche die Unterlagen einsehen, ab jetzt läuft bis zum 2. November die Einspruchsfrist. Ende November könnte es dann einen öffentlichen Erörterungstermin in Hohenhameln geben.