In der Nacht vom 8. auf den 9. Januar 2023 hat vermutlich ein großer Lkw die fettige Substanz verloren. Die Polizei meldete am 9. Januar um 0.00 Uhr, dass ein Fahrzeug einen Stoff verloren habe, der "extreme Glätte verursacht". Daraufhin wurde die A7 Richtung Süden zwischen Northeim-Nord und Hann. Münden/Lutterberg voll gesperrt. Der Fernverkehr wurde großräumig von Hannover über Paderborn nach Kassel umgeleitet, dennoch stauten sich die Fahrzeuge in einigen Orten in Südniedersachsen enorm - unter anderem in Hann. Münden und Dransfeld (Landkreis Göttingen). Am 14. Januar, sechs Tage nach der ersten Meldung, war die A7 wieder komplett befahrbar. Als klar war, dass der Asphalt sicher ist, hoben Behörden ein zunächst verhängtes Tempolimit Ende Januar auf.
Zunächst vermutete die Einsatzkräfte, dass es sich um Paraffin handeln könnte. Eine genaue chemische Analyse brachte zu Tage: es ist eine Pflanzenfettmischung, die die A7 verunreinigt hatte. In den Eigenschaften war sie Kokosfett ähnlich. "Das Gemisch hat einen hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren", so der Göttinger Umweltanalytiker Rainer Hartmann. Mittlerweile ist klar, dass es sich konkret um Kaffeefett handelt. "Das Fett fällt bei der Produktion von entkoffeiniertem Kaffee an", sagte eine Polizeisprecherin. Verwendet wird es beim Herstellen von Kosmetika. Für Mensch und Umwelt ist es harmlos. Es klebte aber hartnäckig auf dem Asphalt. Bis zu 21 Spezialreinigungsmaschinen waren mit Hochdruck, einem alkoholbasierten Reinigungsmittel und Bürsten der fettige Masse mehrere Tage und Nächte zu Leibe gerückt.
Der Vorfall ereignete sich nachts - zu einer Zeit, als wenig Verkehr herrschte. Daher sei die Hinweislage spärlich, so die Polizei. "Ein Anhaltspunkt ist ein weißer Tanklaster mit gelbem Aufdruck", sagte eine Polizeisprecherin. Außerdem hat die chemische Analyse ergeben, dass sich in dem Fettgemisch bestimmte Beimischungen befinden, "die sind wie ein Fingerabdruck". Auch diesem Hinweis gehen die Göttinger Ermittler nach. Laut eines Gutachters könnte genau dieser Fingerabdruck den entscheidenden Hinweis auf die Herkunft des Fettes geben.
Spätestens beim Abladen hätte dem Lkw-Fahrer oder der -Fahrerin auffallen müssen, dass ein großer Teil der Ladung fehlt. Doch rund drei Wochen nach der folgenschweren Fahrt hat sich niemand bei der Polizei offenbart. Eine Polizeisprecherin nannte dieses Verhalten eine "ausgeprägte Gleichgültigkeit". Die Polizei geht laut Expertenmeinung davon aus, dass sich auf die rund 60 Kilometer Autobahn rund 20 Tonnen Pflanzenfett ergossen haben. Das entspreche beinahe einer kompletten Ladung.
Wahrscheinlich haben sie das, doch die Mautdaten - wie Lkw, Halter und Position - stehen weder der Polizei noch der Staatsanwaltschaft zur Verfügung. Das verbietet das Bundesfernstraßenmautgesetz. In Paragraf 4 Absatz 3 heißt es: "Diese Daten dürfen ausschließlich für die Zwecke dieses Gesetzes verarbeitet werden. Eine Übermittlung, Verwendung oder Beschlagnahme dieser Daten nach anderen Rechtsvorschriften ist unzulässig." Also: Mautgebühren ja, polizeiliche Ermittlungen nein. Die Ermittlungsbehörden dürften nicht einmal darauf zugreifen, wenn es um Mord oder Terroranschläge gehe, erklärt Oberstaatsanwalt Andreas Buick in Göttingen.
Zunächst vermuteten Einsatzkräfte und Autobahnbetreiber, dass Paraffin die Fahrbahn verunreinigt hat. Entsprechend reinigten die Spezialmaschinen die A7 zunächst mit heißem Wasser. Als klar war, dass es sich bei der Substanz um ein pflanzliches Fett handelt, passten sie das Reinigungsverfahren entsprechend an. Die Reinigung unter hohem Druck mit Wasser und einem alkoholischen Reinigungszusatz führte schließlich zum Erfolg. Laut Autobahngesellschaft waren dafür 700.000 Liter Wasser nötig. Es waren 22 Unternehmen und Institutionen sowie 181 Personen im Einsatz.
Laut einer vorläufigen Bilanz der Autobahngesellschaft des Bundes belaufen sich die Kosten für die Reinigung auf rund 1,5 Millionen Euro. Dass erst jetzt feststeht, wie viel die Reinigung gekostet hat, begründete die Autobahngesellschaft damit, dass sie auf die Rechnungsstellung der beteiligten Unternehmen nur sehr bedingt Einfluss gehabt hätte. Der Autobahnbetreiber hat angekündigt, sich die Kosten vom Verursacher erstatten zu lassen.
Auf die Frage, warum die Autobahn GmbH des Bundes bis Februar gebraucht hat, eine Übersicht der Kosten zu veröffentlichen, teilte ein Sprecher dem NDR Niedersachsen schriftlich mit: "Die Erstellung der Rechnungen erfolgt durch die Auftragnehmer, worauf wir nur sehr bedingt Einfluss haben." Die Prüfung der Rechnungen und der dazugehörigen Unterlagen, inklusive der sorgfältigen Klärung von Rückfragen, benötige eine gewisse Zeit. "Eine erhöhte Dringlichkeit ist nicht gegeben."
Die Autobahn GmbH antwortet auf diese Frage ausweichend. Ein Sprecher teilt dem NDR Niedersachsen mit: "Teilweise sind Auftragnehmer mit bestehenden Verträgen im Einsatz gewesen, teilweise gibt es für ausgeführte Leistungen festgelegte Gebührensätze und teilweise wurden Preise im Zusammenhang mit der Leistungsabfrage erfragt." Was das genau im vorliegenden Fall bedeutet, wurde nicht erklärt. Man sei aber auch bei der Autobahn GmbH daran interessiert, "dass der entstandene Schaden selbstverständlich durch den Verursacher ersetzt wird", so der Sprecher auf Nachfrage.
Da auf den Straßen in Deutschland kein Fahrzeug unversichert unterwegs sein darf, ist davon auszugehen, dass auch der betreffende Lkw versichert ist. "Die Haftpflicht deckt auch Schäden ab, die durch die Ladung verursacht werden", sagte ein Sprecherin Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. in Berlin. "In der Kfz-Haftpflichtversicherung schreibt der Gesetzgeber eine Mindesthöhe der Versicherungssumme für unterschiedliche Schäden vor." Für Personenschäden müssen mindestens 7,5 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Für Sachschäden müssen Versicherer mindestens 1,22 Millionen Euro bereithalten. Das gilt für Fahrzeuge aus Deutschland und den meisten Ländern der Europäischen Union (EU) - teilweise liegen dort die Mindestsummen sogar noch höher. Lkw aus Ländern außerhalb der EU können dagegen mit geringeren Mindestdenkungssummen abgesichert sein. Serbien schreibt zum Beispiel für Sachschäden eine Minimumdeckung von nur 200.000 Euro vor.