Handel mit Kokain: Mehr als zwölf Jahre Haft für Spediteur
Ein Spediteur aus dem Harz war nach Ansicht des Landgerichts Hannover in Kokainschmuggel im großen Stil verwickelt. Der 37-Jährige muss für zwölf Jahre und sechs Monate ins Gefängnis.
Im Februar 2021 waren im Hamburger Hafen 16 Tonnen Kokain sichergestellt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Jonas H. ein ranghohes Mitglied der Schmugglerbande mit wichtigen Aufgaben war und den Transport des Kokains aus dem Hafen organisiert hatte. Der Spediteur hatte nach Ansicht des Gerichts die Lkw-Fahrer koordiniert und ihnen gesagt, wohin sie das Kokain liefern sollen. Am Dienstag verurteilte das Gericht H. zu einer Freiheitsstrafe von zwölfeinhalb Jahren. Es folgte damit der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese schätzt, dass der 37-Jährige mit den Drogengeschäften eine bis anderthalb Millionen Euro verdient hat. Überführt hatten ihn auch die vielen Chatnachrichten, die die Ermittlerinnen und Ermittler auf verschlüsselten Handys gefunden hatten. Die Staatsanwaltschaft hatte von einer erdrückenden Beweislage gesprochen.
Verurteilter im Kokain-Prozess: Größter Fehler seines Lebens
Es sei der größte Fehler seines Lebens gewesen, sagte H. am Ende des Prozesses. Doch die späte Einsicht und auch sein Teilgeständnis konnten die Strafe nicht mehr mildern. Startschuss für die Ermittlungen gegen H. war der Kokainfund im Hamburger Hafen vor rund zwei Jahren: Beamte der Zollfahndung hatten am 12. Februar 2021 nach einem Tipp von niederländischen Kolleginnen und Kollegen fünf Container einer Importfirma aus Rotterdam untersucht, die diese aus Paraguay nach Hamburg hatte verschiffen lassen. In den Containern sollte sich eigentlich Spachtelmasse befinden. Die Ermittler durchleuchteten die Container mit einer Röntgenanlage - und entdeckten so rund 1.700 Blechdosen, die mehr als 16 Tonnen Kokain enthielten. Der Marktwert: rund 448 Millionen Euro. Es war der größte Kokainfund aller Zeiten in Europa. Vorausgegangen waren monatelange Ermittlungen der "Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift" (GER) des LKA Niedersachsen und des Zollfahndungsamtes (ZFA) Hannover.
Transportunternehmen von Jonas H. lief sehr gut
Dass die Hintermänner der Kokain-Mafia in Niedersachsen sitzen, damit hatte bei der Sicherstellung der Drogen niemand gerechnet. Und schon gar nicht damit, dass der Transport der Drogen offensichtlich aus dem beschaulichen Harz organisiert worden war. Dass allerdings das Transportdienstleistungsunternehmen von Jonas H. sehr gut lief, ist auch den Bewohnern des 1.850-Seelen-Orts Othfresen in der Gemeinde Liebenburg nicht entgangen. Man habe sich schon gewundert, warum auf dem Hof immer die neuesten Lkw standen, sagt ein Mann, der anonym bleiben möchte, dem NDR in Niedersachsen. Und er erzählt weiter: Gerüchte über Verbindungen zur Russenmafia hätten bald im Ort die Runde gemacht. Dass es sich nun um Kokain aus Südamerika handeln soll, das aber habe viele dann doch erschreckt.
Clever oder großspurig?
"Er hatte sich da wirklich was aufgebaut im Harz, das war schon beeindruckend", so ein anderer Anwohner aus dem Ort. Und ergänzt: "Er war ein cleveres Kerlchen." Einer, der ihn mal beruflich getroffen hat, beschreibt H. dagegen als "großspurig". Auf der firmeneigenen Webseite stand über Jonas H.: "Seine ausgeprägte Fähigkeit 'Opportunitäten' zu erkennen, setzt immer wieder dynamische Impulse und hat die Gruppe zu dem gemacht, was sie heute ist."
Rauschgift, Razzia, Reibach
Doch dann kam die Razzia im April 2022. Auch auf dem Firmengelände in Othfresen, einem Ortsteil von Liebenburg am Harz. Außerdem in der Region Hannover und in den niedersächsischen Städten Celle, Walsrode, Visselhövede, Sarstedt, Wolfsburg, Meinersen und Achim. Und auch in den Niederlanden, in Belgien, Spanien und Paraguay wurde durchsucht. Dabei stellte sich heraus: Der Mann aus dem Harz ist offenbar tief verstrickt in das Rauschgiftnetzwerk. Der Sohn einer Fuhrunternehmer-Familie soll mit seinen Lkw den Koks-Schmuggel aus dem Hamburger Hafen organisiert haben.
Geld mit "Nebenverdienst" - in Corona-Pandemie
Seit Dezember 2022 musste sich der 37-Jährige aus Liebenburg im Landkreis Goslar vor dem Landgericht Hannover dafür verantworten. Die Anklage: bandenmäßiges Handeltreiben mit Kokain in nicht geringer Menge. Ein Teilgeständnis legte er schon ab: Er sei von einem Bekannten, mit dem er geschäftlich zu tun gehabt habe, angeworben worden. Dabei sei es zunächst nur um einen kleinen Nebenverdienst gegangen. Weiter erklärte Jonas H., er habe das Geld Ende 2020 mitten in der Corona-Pandemie bei wegbrechenden Aufträgen gut gebrauchen können. Allerdings, so behauptet er, habe er schnell erkannt, dass der Schmuggel von harten Drogen von Paraguay über Hamburg nach Rotterdam viel zu riskant sei. Er habe aussteigen wollen, sei aber von den Hauptdrahtziehern massiv bedroht worden. Er habe Angst um seine Familie und die Kinder gehabt.
Angst vor der Kokain-Mafia
Wie viel Angst bei diesem Thema rund um die Kokain-Mafia mit im Spiel ist, zeigt sich auch in Othfresen im Harz. Viele Menschen dort sprachen nur darüber, wenn sie anonym bleiben durften. Mit der Kokain-Mafia will hier im beschaulichen Dorf niemand etwas zu tun haben. Und mit dem jungen Spediteur, der vor Gericht stand, will auch niemand in Zusammenhang gebracht werden. Besonders präsent sei Jonas H. ohnehin nicht im Ort gewesen, sagten mehrere Othfresener. "Am Dorfleben hat er sich eigentlich nicht beteiligt." Er habe seinen Lebensmittelpunkt offenbar woanders gehabt. "Man hat ihn hier meist nur mal an der Tankstelle gesehen."