Frau in Maisfeld getötet: Angeklagter streitet Tat ab

Stand: 07.11.2023 19:13 Uhr

Am Landgericht Göttingen hat ein Straftäter des Maßregelvollzugszentrums Moringen bestritten, eine Walkerin getötet zu haben. Die Tat hatte sich am Rande eines Maisfeldes in Northeim ereignet.

Weder habe er das Opfer gesehen, noch sei er der Frau begegnet, hieß es in einer Erklärung, die der Verteidiger des 59-Jährigen zum Prozessauftakt am Dienstag vorlas. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, die Frau im September 2021 mit einem Messer angegriffen zu haben. Fünfmal habe er auf den Hals und die Brust des ihm unbekannten Opfers eingestochen und dabei ihre rechte Hauptschlagader durchtrennt. Die 64-Jährige aus Northeim sei vor Ort an ihren schweren Verletzungen gestorben. Den Tod des Opfers nahm der Verdächtige laut Staatsanwaltschaft zumindest billigend in Kauf. Die Anklage lautet auf Totschlag.

Polizei findet Messer bei Tatverdächtigem

Der 59-Jährige, der nach Angaben des Landgerichts psychisch krank ist, war kurz nach dem Tod der Frau ins Visier der Ermittler geraten. Ein Bekannter hatte angegeben, ihn in der Nähe des Tatorts gesehen zu haben und hatte die Polizei alarmiert. Die Polizei fand bei der Festnahme des Verdächtigen ein zehn Zentimeter langes Messer - und daran DNA-Spuren des Opfers.

Sohn der Getöteten ist Nebenkläger

Der Sohn des Opfers tritt als Nebenkläger in dem Prozess auf. Dessen Anwalt, Steffen Hörning, sagte am Dienstag, er sei von der Schuld des Angeklagten überzeugt. "Für uns steht hauptsächlich im Fokus, dass wir die Belastung für die Angehörigen endlich minimieren möchten, indem wir das Verfahren zügig zu Ende bringen - und, dass wir uns insbesondere Aufklärung darüber erhoffen, wie es zu der Entlassung aus der geschlossenen Abteilung in Moringen gekommen ist, sodass der Angeklagte überhaupt die Möglichkeit hatte, diese Tat zu begehen."

Angeklagter seit mehr als 40 Jahren im Maßregelvollzug

Wegen verschiedener Gewaltdelikte ist der Mann seit mehr als 40 Jahren im Maßregelvollzug untergebracht. Mehrfach hatte er unbekannte Frauen mit einem Messer zum Teil lebensgefährlich verletzt. Er galt als eingeschränkt schuldfähig und wurde deshalb im Maßregelvollzug untergebracht. Zum Tatzeitpunkt lebte er zusammen mit zwei weiteren Patienten in einer Außenwohngruppe, die er unter Auflagen verlassen durfte. Diese Lockerung war nach Angaben des niedersächsischen Sozialministeriums auf der Grundlage eines psychiatrischen Gutachtens und im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft erfolgt. Der Tod der Frau hatte zu Protesten von Anwohnerinnen und Anwohnern geführt. Sie hatten dem Maßregelvollzug in Moringen (Landkreis Northeim) vorgeworfen, die Menschen nicht genug vor dem Straftäter zu schützen.

Gutachten: Angeklagter zur Tatzeit vermindert schuldfähig

Als er im September 2021 als möglicher Täter in Betracht kam, wurde er in den gesondert gesicherten und verschlossenen Bereich des Maßregelvollzugszentrums verlegt. Die Staatsanwaltschaft gab erneut ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag. Das Ergebnis: Der 59-Jährige sei aufgrund einer psychischen Erkrankung zur Tatzeit vermindert schuldfähig gewesen. Das Landgericht Göttingen hat bis Anfang Februar Verhandlungstermine angesetzt.

Maßregelvollzug: Was bedeutet das?

  • Stellt das Gericht fest, dass eine Person zum Zeitpunkt der Tat schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war, kann statt eines Strafvollzugs ein Maßregelvollzug angeordnet werden. In Moringen befindet sich die größte von landesweit zehn Einrichtungen des Maßregelvollzugs.
  • Im Maßregelvollzug für psychisch kranke Straftäterinnen und Straftäter werden diese in der Regel zunächst in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Der Auftrag bei dieser freiheitsentziehenden Unterbringung ist es, diese Menschen zu behandeln und die Öffentlichkeit vor ihnen zu schützen.
  • Externe Gutachter schätzen die Genesung der Straftäterin/des Straftäters ein. Auch die Maßregelvollzugsanstalt gibt dazu Stellung ab. Anhand dessen entscheidet die Strafvollstreckungskammer über Lockerungen.
  • Erste Lockerungen können sein: In Begleitung nach draußen gehen sowie Einkaufen gehen ohne Begleitung. Im letzten Schritt vor der Freilassung können die Straftäterinnen/Straftäter in einer Wohngruppe außerhalb der psychiatrischen Klinik leben. Danach wird der Maßregelvollzug zur Bewährung ausgesetzt.
  • Das Bundesverfassungsgericht hat festgelegt: Je länger ein Mensch schon im Maßregelvollzug untergebracht ist, desto strenger sind die Auflagen dafür, ihn nicht aus dem Maßregevollzug freizulassen.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 07.11.2023 | 09:00 Uhr

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