Forschender Architekt: "Strohballenbau wieder bekannter machen"

Der Architekt Florian Hoppe steht vor einer Wand aus Strohballen. © NDR
Florian Hoppe ist Architekt in Weimar. Er ist Experte für das lasttragende Bauen mit Strohballen und forscht auch an der Bauhaus-Universität Weimar.

Florian Hoppe ist Experte in Sachen „lasttragender Strohballenbau“, also für das Bauen mit Strohballen, ohne dass das Gebäude zusätzlich mit Holzbalken oder Betonkonstruktionen abgestützt wird. Er ist Architekt und forscht zugleich an der Bauhaus-Universität in Weimar. Unter anderem arbeitet er daran, wie das Bauen mit Strohballen standardisiert werden kann. Welches Potenzial im Bauen mit Strohballen liegt, erklärt er im Gespräch mit NDR Niedersachsen.

Strohballenbau gilt als ökologisch nachhaltig. Aber warum eigentlich genau?

Florian Hoppe: Strohballenbau ist nachhaltig, vor allem, weil Strohballen regional verfügbar sind. Nachhaltigkeit ist ein ganz großer Begriff. Und es gibt viele Baustoffhersteller, die gerne das Wort Nachhaltigkeit verwenden, obwohl sie gar nicht nachhaltig arbeiten. Und bei dem Strohballen kann man sagen: Überall in Deutschland ist Stroh auf den Feldern verfügbar. Überall ist die Maschinentechnik verfügbar, um dieses Stroh auch in Form zu pressen. Das macht es als Baustoff nachhaltig.

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Energie wird also nur für das Pressen und den Transport verbraucht. Die Nachhaltigkeit bezieht sich beim Stroh aber nicht nur auf die Herstellung.

Hoppe:
Sie bezieht sich natürlich auch auf die Nutzung im Gebäude. Das heißt der Baustoff speichert CO2, denn Stroh wächst jedes Jahr nach. In einer Tonne Stroh sind 1,5 Tonnen CO2 gespeichert. (Anmerkung der Redaktion: Holz speichert noch rund ein Viertel mehr CO2, braucht dafür aber viele Jahre, bis es als Baustoff genutzt werden kann.) Wenn das Gebäude irgendwann nicht mehr genutzt wird, dann lässt es sich sehr gut in den Stoffkreislauf zurückzuführen. Im Prinzip könnte man ein Strohhaus schlicht abreißen und große Teile kompostieren.

Trotzdem gibt es Vorbehalte gegen das Bauen mit Stroh.

Hoppe: Die Vorbehalte liegen vor allem darin, dass wir in den letzten einhundert Jahren diesen natürlichen Baustoff vergessen haben. Und wir müssen uns jetzt sehr viel Mühe geben, diese Skepsis wieder aus dem Weg zu räumen. Wir müssen bei Architektinnen und Bauherren Stroh als Baustoff wieder bekannt machen. Brandschutz, Tierbefall – alles kein Problem. Und wenn das Stroh vor Feuchtigkeit geschützt ist, ist es quasi unendlich haltbar. Dazu kommt noch die positive Wirkung von Stroh auf die Wohngesundheit.

Nachteile bleiben aber trotzdem. Der Baustoff ist beispielsweise nicht genormt.

Hoppe: Wenn die Strohballen lasttragend verbaut werden – wie im Dorfgemeinschaftshaus in Erbsen – gibt es für die Ballen keine generelle Zulassung. Für jedes Bauvorhaben muss eine Zustimmung beantragt werden. Das ist zeitaufwändig und bedeutet mehr Arbeit für Architekten und Statiker, auch Labore und Fachinstitutionen müssen beauftragt werden. Das alles macht die Planung teurer. Dafür ist der Baustoff deutlich billiger. Am Ende kostet ein lasttragendes Strohballenhaus nicht mehr als ein vergleichbares konventionelles Haus. Und dann ist da noch der Platzbedarf wegen der dicken Wände – den kann man beim lasttragenden Strohballenbau nicht wegdiskutieren. Aber durch die extrem gute Dämmung kann man bei der Heiztechnik auch wieder Platz einsparen.

Das Interview führte Jan Fragel, NDR.de.

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