Die Angst, ohne Handy zu sein: Was steckt hinter Nomophobie?
Viele Menschen sind mehr als beunruhigt, wenn sie ihr Handy nicht dabeihaben. Fachkreise nennen diese Angststörung Nomophobie. Die Private Hochschule Göttingen hat sie für Deutschland untersucht.
Yvonne Görlich hat die Studie geleitet, die im Februar veröffentlicht wurde. Für die Wissenschaftlerin sind einige Ergebnisse der Erhebung besorgniserregend. Der Begriff Nomophobie beschreibt die Angst davor, vom Smartphone getrennt und nicht mehr erreichbar zu sein. Er setzt sich aus dem Englischen "No-Mobile-Phone-Phobia" zusammen. Im Gegensatz zur Smartphone-Sucht, verspüren die Betroffenen nicht unbedingt den Drang, zum Handy zu greifen. Denn Nomophobie ist keine Suchterkrankung, sondern eine Angststörung. In internationalen Studien wurde sie bereits mehrfach untersucht. In Deutschland haben nun Görlich und ihre Kollegin Melina Coenen die erste Studie dazu durchgeführt. Insgesamt 807 Personen haben dafür online 20 Fragen beantwortet, die die Forscherinnen ausgewertet haben.
Wie äußert sich Nomophobie?
Mithilfe des Fragebogens wurden die vier Angst auslösenden Dimensionen von Nomophobie untersucht:
- nicht kommunizieren können
- Verbindungsverlust
- nicht auf Informationen zugreifen können
- Komfortverzicht
Je stärker die vier Dimensionen bei Betroffenen ausgeprägt sind, desto stärker ist auch die Nomophobie. Laut Studienleiterin Görlich zeigt sich die Angststörung zum Beispiel dadurch, dass Betroffene im Funkloch Panik verspüren, Angstsymptome entwickeln, wenn das Handy vergessen wurde und sie nicht kommunizieren oder navigieren können. "Wenn man vielleicht auch körperliche Symptome hat, zum Beispiel Zittern oder Schweißausbrüche, wenn man merkt, das Handy ist nicht dabei, dann ist es eine starke Ausprägung", erklärt die Wissenschaftlerin. "Diese könnte auch behandlungswürdig sein." Zu den körperlichen Symptomen könnte auch Angst kommen, die Betroffene extrem spüren.
Studie: Frauen stärker von Nomophobie betroffen
"Was wir herausgefunden haben, ist, dass Nomophobie auch in Deutschland verbreitet ist." Knapp die Hälfte der Befragten wies ein mittleres Maß an Nomophobie auf. Bei 4,1 Prozent der Teilnehmenden wurde sogar ein schwere Nomophobie festgestellt. "Frauen sind stärker betroffen, da wir annehmen können, dass sie ein stärkeres Bedürfnis nach sozialer Kommunikation und Interaktion haben", erklärt die Forscherin.
Welche Faktoren beeinflussen Nomophobie?
Die "Fear of missing out" (FOMO) - also die Angst davor, etwas zu verpassen - hängt eng mit der Nomophobie zusammen. Auch die Nutzungsdauer des Smartphones hat Einfluss auf die Angststörung. Personen, die ihr Smartphone unter zwei Stunden genutzt haben, hatten keine starke Nomophobie, belegt die Studie. "Es gibt aber auch Personen, die nutzen ihr Smartphone lange und leiden trotzdem nicht an einer starken Nomophobie", erklärt Görlich.
Was hilft gegen Nomophobie?
Nomophobie gilt bisher noch nicht als anerkannte Krankheit. Sie in der starken Ausprägung anerkennen zu lassen, hätte laut Görlich jedoch den Vorteil, dass man die Behandlung des Leidens über die Krankenkasse abrechnen lassen könnte. So wäre eine Option, sie als spezifische Phobie zu fassen und dann entsprechend zu behandeln. Eine spezifische Phobie ist zum Beispiel auch die Spinnenphobie.
Bei einer mittleren Ausprägung kann laut Görlich auch helfen:
- die Smartphone-Nutzung auf weniger als zwei Stunden einschränken
- Push-Benachrichtigungen abstellen
- feste Zeiten einstellen, an denen Smartphone nicht genutzt wird
- eine alternative Beschäftigung suchen
- den Schwarz-Weiß-Modus einstellen
- das Smartphone nicht als Wecker oder Ersatz für eine Armband-Uhr zu nutzen
Folgestudie zur Smartphone-Nutzung
Für eine Folgestudie sucht Görlich nun noch Teilnehmende. Sie möchte untersuchen, wie sich eine kontrollierte Smartphone-Nutzung auf die Nomophobie, aber auch die "Fear of missing out" auswirkt.