Der Feuersommer 2022: Lehren aus den Waldbränden im Harz

Stand: 27.04.2023 09:07 Uhr

Es war noch Frühjahr, als im vergangenen Jahr im Harz die ersten Feuer ausbrachen. Im Sommer dann wütete ein großer Waldbrand am Brocken. Die Löscharbeiten kosteten Millionen. Was hat sich seitdem verbessert?

Vergangenes Jahr brannte es laut Parkverwaltung insgesamt 16 Mal im Nationalpark Harz - vier Mal davon auf niedersächsischer Seite. Viele erinnern sich noch an die Schlagzeilen und dramatischen Bilder. Doch was ist seither passiert in Sachen Brandschutz?

Wo gab es 2022 große Waldbrände im Harz?

  • 14. März, Staufenberg (Landkreis Göttingen): Ein Feuer an einem Holzlager dehnt sich auf rund 5.000 Quadratmetern Waldfläche aus. Laut Polizei wurde der Brand wohl gelegt. Rund 100 Feuerwehrleute löschen die Flammen.
  • 26. April, Brocken: Auf Norddeutschlands höchsten Berg bricht Feuer aus. Besucher müssen wegen des dichten Rauchs stundenlang auf dem Gipfel oder in Schierke ausharren. Erst abends ist die Lage entspannter und sie können mit Kleinbussen vom Berg geholt werden. Selbst für die Feuerwehr ist der Einsatz beschwerlich. Sie gelangen schließlich mit der Schmalspurbahn zum Brandort, die sonst Touristen fährt. Eine Fläche von einem Hektar verbrennt.
  • 29. April, unterhalb des Brockenplateaus: Nur Tage später brennt es wenige Kilometer entfernt erneut, dieses Mal auf einer gut 3.000 Quadratmeter großen Wiese unterhalb des Brockenplateaus. 20 Feuerwehrleute sind im Einsatz. Das Löschen gelingt ihnen eigenen Angaben zufolge schnell. Laut Polizei besteht kein Zusammenhang mit dem Feuer wenige Tage zuvor.
  • Juni 2022, Trecktal (Landkreis Harz): Auf der sachsen-anhaltinischen Seite des Nationalparks brennen sechseinhalb Hektar Fläche ab. Das entspricht der Größe von neun Fußballfeldern. Wegen der anhaltenden Trockenheit warnen die Landesforsten auch vor Feuern in Niedersachsen. Experten erwarten die zweithöchste Alarmstufe im Waldbrandgefahrenindex, teils auch die höchste Stufe 5. Geregnet hat es teilweise seit Wochen nicht, die Temperaturen sollen auf bis zu 35 Grad steigen. Die Lage sei wirklich kritisch, sagt Knut Sierk von den Landesforsten.
  • Mitte August, Schierke: An der Bahnstrecke bricht ein Feuer aus. Zum Löschen kommen Feuerwehrleute aus ganz Sachsen-Anhalt und aus Niedersachsen. Zeitweise sind es mehr als 500. Aus der Luft unterstützen Hubschrauber die Löscharbeiten. Diese werden durch steile Hänge und zerklüftetes Gelände erschwert. Außerdem stellen hohe, abgestorbene Bäume eine Gefahr für die Feuerwehrleute dar. Manche Bereiche können deshalb nicht betreten werden. Vier Tage dauert es, bis "Feuer aus" gemeldet wird. Die Nationalpark-Verwaltung geht in ihrer Bilanz davon aus, dass vier Hektar Wald verbrannt sind. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Luftaufnahmen zeigen mehrere Ausbruchsstellen, was ungewöhnlich sei.
  • Anfang September, Brocken: Im Spätsommer brennen am Brocken 160 Hektar Wald- und Moorfläche ab. Das Feuer wird an einem beliebten Wanderweg in der Nähe des Aussichtspunktes Goethebahnhof entdeckt. Eine Woche lang sind Hubschrauber und Löschflugzeuge im Dauereinsatz. Nach Angaben der Magdeburger Polizei ist das Feuer fast zeitgleich an drei verschiedenen Stellen ausgebrochen. 1.800 Einsatzkräfte sind laut Feuerwehr vor Ort sowie elf Hubschrauber, zwei Löschflugzeuge aus Italien sowie Aufklärungsflieger und Drohnen. Ein Feuerwehrmann wird bei den tagelangen Löscharbeiten schwer verletzt. Er überlebt, nach Tagen in kritischem Zustand.

Zahl der Waldbrände nimmt zu

Das Bild zeigt eine Infografik zu den Waldbränden im Harz. © NDR
Diese Grafik der Landesforsten zeigt die Zahl der in Niedersachsen gemeldeten Waldbrände im Zeitverlauf.

Bis in den Herbst hinein wurde auch in Niedersachsen diskutiert, wie man den Harz besser vor Waldbränden schützen kann. Das jüngste Großfeuer habe erneut Schwächen bei der Brandbekämpfung offengelegt, bilanzierte der Chef der Landesfeuerwehr Sachsen-Anhalt, Kai-Uwe Lohse, Mitte September. Es brauche Schneisen und befahrbare Wege in gefährdeten Gebieten und mehr Kameras und Sensoren, die Feuer früh erkennen. Auch müsse die Versorgung mit Löschwasser dringend verbessert werden. Der große Waldbrand sei nur mit enormem Personal- und Materialeinsatz zu bekämpfen gewesen. Unterm Strich kosteten die Arbeiten rund 3,2 Millionen Euro.

Waldbrandgefahr: Totholz bleibt weiter liegen

Die heiß diskutierte, vorsorgliche Entfernung von leicht entzündlichem Totholz aus dem Wald. wurde kaum oder gar nicht umgesetzt. Nach Angaben von Nationalpark-Leiter Roland Pietsch haben sich Politik, Feuerwehren und Parkverwaltung drauf geeinigt, dass das Totholz erstmal liegen bleibt - nur in der Nähe von Siedlungen könne es prophylaktisch weggeräumt werden. Das allerdings ist vergangenes Jahr nur in Schierke passiert. Die Forderung nach vorsorglich angelegten Brandschneisen blieb bislang auch unerfüllt. Die wolle man erst schlagen, wenn es nötig werde. Es sei die effektivste Vorgehensweise, so Pietsch.

Neue Löschflugzeuge für den Harz

Fast neun Monate nach dem Großbrand am Brocken sind zumindest einige der Forderungen nach mehr Brandschutz und Ausrüstung umgesetzt worden. So gibt es zum Beispiel ein neues Löschflugzeug, eine polnische "PZL M18 Dromader". Sie steht auf dem Flugplatz Ballenstedt im Landkreis Harz und fasst mehr als 2.000 Liter Wasser. Bei Bedarf steht ein weiteres Flugzeug an der deutsch-polnischen Grenze für Brandbekämpfungen im Harz bereit. Ab Juni sollen laut Innenministerium in Niedersachsen zwei weitere Löschflugzeuge einsatzbereit sein. Außerdem darf die Brockenbahn (HSB) ab Warnstufe 5 nur noch mit Diesel und nicht mehr mit Dampflok fahren. Unterhalb des Brockengipfels stehen außerdem zwei Behälter mit Löschwasser.

Frühwarnsystem soll Temperaturabweichungen melden

Bäume brennen in einem Waldstück. © Matthias Bein/dpa Foto: Matthias Bein
Bilder wie diese aus dem September 2022 soll es künftig seltener geben, so die Hoffnung. (Archivbild)

Zudem gibt es ein satellitengestütztes Frühwarn-System, das per E-Mail oder App eine Warnung an die Feuerwehren schickt, wenn die Temperaturen zu stark abweichen und auf Feuer hindeuten. Nach Angaben des HSB-Sprechers kann das System auch unterscheiden, ob Rauch von der Dampflok stammt oder von einem Feuer. Dazu sollen die Feuerwehren im Landkreis Goslar mehrere Geländewagen bekommen. Die HSB denkt eigenen Angaben zufolge auch über weitere Funken-Siebe für die Dampfloks nach. Perspektivisch soll es zusätzliche Personenwagen bei der HSB geben. Im Brandfall könnten sie eine große Zahl Feuerwehrleute und Material zum Brandherd bringen.

Leitung mit Löschwasser kommt nicht

Nicht kommen soll hingegen ein "Aufpasser" in der Brockenbahn, der mitfährt und darauf achtet, dass niemand raucht. Auch Kontrolleure zu Fuß soll es laut HSB erst geben, wenn alle Beteiligten - Landkreis Harz, Land, Nationalpark, HSB, Feuerwehren - sagen: Man braucht das jetzt. Ab wann dieser Punkt erreicht ist, konnte er nicht sagen. Auch eine feste Leitung mit Löschwasser auf den Brocken soll vorerst nicht kommen.

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