Delligsen: Streit zwischen Bürgermeister und "Alfelder Zeitung"
In Alfeld (Landkreis Hildesheim) gibt es eine Auseinandersetzung zwischen dem Bürgermeister und der örtlichen Zeitung. Im Mittelpunkt steht dabei eine Anzeige wegen Geheimnisverrats.
Im ersten Moment sei es ein komisches Gefühl gewesen, als Zeuge vorgeladen zu werden, sagt Markus Riese, Redaktionsleiter der "Alfelder Zeitung". Ihm sei dann aber schnell klar gewesen, dass er im Sinne der Pressefreiheit von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen werde. Hintergrund ist die Strafanzeige des Bürgermeisters des Fleckens Delligsen, Stephan Willudda (parteilos), wegen Geheimnisverrats im November des vergangenen Jahres. Aus dem Rat der Kommune war eine nicht-öffentliche Vorlage mit Details über eine Personalie der "Alfelder Zeitung" zugespielt worden.
Bürgermeister Willudda: "Gravierender Rechtsverstoß"
Jedes Ratsmitglied sei zur Verschwiegenheit verpflichtet, sagt Stephan Willudda, der seit 2019 Bürgermeister von Delligsen im Landkreis Holzminden ist. Es habe in der Vergangenheit mehrfach Verstöße gegeben. Mehrere Ratsmitglieder hätten sich beklagt, dass sie nicht mehr vertraulich miteinander sprechen könnten, wenn nicht sicher sei, dass es auch vertraulich bleibe. Gegenstand der Strafanzeige sei nicht die Einschränkung der Pressefreiheit. Wie die Staatsanwaltschaft Hildesheim mitteilt, ist das Verfahren inzwischen eingestellt, weil kein Täter ermittelt werden konnte.
"Der Journalist ist das falsche Ziel"
Frank Rieger, der Landesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, macht deutlich, dass der Redakteur keinen Geheimnisverrat begangen habe. Er sei das falsche Ziel. Die Aufdeckung skandalöser Missstände sei oft nur mithilfe von Hinweisgebern möglich. Tim Gerber, selbst Journalist und parteiloser Ratsherr in Delligsen, hält die Strafanzeige zwar für gerechtfertigt. Er macht den Ermittlungsbehörden aber einen Vorwurf. Die machten sich die Sache zu leicht, indem sie Redaktionen unter Druck setzten, kundzutun, von wem sie die Information haben. Es sei typisch - vielleicht auch aus Bequemlichkeit - die Presse ins Visier zu nehmen. Ansonsten müsse die Polizei nämlich bei ihnen - also bei den Ratsmitgliedern - Hausdurchsuchungen machen. Für Sabine Tippelt, die Vorsitzende der SPD-Mehrheitsfraktion im Rat Delligsen, ist ganz klar: So eine Sache könne man doch nicht stillschweigend hinnehmen. Die Ratsmitglieder seien verpflichtet, vertrauliche Dinge vertraulich zu behandeln, sagt sie.
Ein auch öffentlich geführter Schlagabtausch
Das spannungsgeladene Verhältnis zwischen Bürgermeister und Zeitung ist den Menschen vor Ort nicht verborgen geblieben. Manche Details sind in der Zeitung nachzulesen - manches auf der Internetseite von Delligsen. Dort werden Artikel der Zeitung mit eigenen Stellungnahmen geradegerückt. Manchmal aber schreibt Willudda auch direkt an Riese. Der nennt ein Beispiel: "Sehr kritisch wurde es aus unserer Sicht in dem Moment, als Herr Willudda uns angedroht hat, dass er uns künftig nicht mehr mit Presseinformationen versorgt und im Einzelfall abwägen möchte, ob er uns informiert oder nicht. Das ist im Sinne der Gleichbehandlung der Presse nicht hinnehmbar." Es komme immer wieder vor, dass Politiker eine bestimmte Berichterstattung erwarteten, was die Zeitung nicht immer erfüllen könne. Aber in diesem Fall sei ganz klar eine Grenze überschritten, so Riese.
Bürgermeister will in Zukunft vorsichtiger sein
Stephan Willudda bestreitet, dass die "Alfelder Zeitung" benachteiligt werde. Er erklärt den Zusammenhang so: Bei der Vorstellung eines großen Investitionsprojektes über 100 Millionen Euro im Ort habe er die Presse frühzeitig informiert, bevor der Investor sein Projekt vorgestellt habe. Das habe ihm die Zeitung als Öffentlichkeitsarbeit für den Investor ausgelegt. In den vergangenen Monaten sei schon eine Stimmung erzeugt worden, die für ihn nicht schön gewesen sei. Er werde in Zukunft vorsichtiger sein, bei dem, was er sage und schreibe.