Betriebsratschefin Daniela Cavallo: Kontrolliert hartnäckig
Daniela Cavallo, Gesamtbetriebsratsvorsitzende von VW, gilt als eine der mächtigsten Arbeitnehmer-Vertreterinnen der Welt. Im vergangenen Jahr war sie auf Bernd Osterloh gefolgt.
Daniela Cavallo zupft noch einmal ihren Blazer zurecht, streicht ihre schwarzen Haare glatt. Die Scheinwerfer im Volkswagen-Studio sind auf sie gerichtet, gleich geht er los, der Webcast für die Beschäftigten, live aus der Südstraße auf dem Werksgelände in Wolfsburg. Es sind überwiegend schlechte Nachrichten, die die 46-Jährige ihren Kolleginnen und Kollegen vor den Bildschirmen heute überbringen muss. Ihr Blick ist daher ernst, als sie den Kopf zum Teleprompter wendet. Dann beginnt sie zu sprechen, ruhig und konzentriert.
Überall stehen VW-Bänder still
Über den Krieg in der Ukraine, das menschliche Leid. Und darüber, dass sich dieser Krieg auch massiv auf das Geschäft von Volkswagen auswirkt. Nach den Halbleitern werden jetzt die Kabel knapp, die Zulieferbetriebe in der Ukraine können höchstens noch die Hälfte der sonst üblichen Menge herstellen. Die Folge: Überall in Deutschland müssen Bänder angehalten werden, zuerst in Zwickau und Dresden, aber auch am Stammsitz in Wolfsburg gibt es Kurzarbeit. Wieder einmal. Für Daniela Cavallo heißt das: Erneut unzufriedene Beschäftigte, Zukunftsängste, viel Gesprächsbedarf.
Besser als Tesla? Auf dem Weg Richtung Zukunft
Auch wenn es kaum einen Konzern gibt, in dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter derart abgesichert sind wie bei Volkswagen. Genau diese Sicherheit will die 46-Jährige für die Beschäftigten erhalten, macht sie beim Interview in ihrem Büro deutlich. Sie will vermeiden, dass vor allem der Standort Wolfsburg, das Herzstück des Konzerns, auf dem Weg in Richtung Zukunft abgehängt wird. Und die Zukunft heißt Elektromobilität, autonomes Fahren, Software. Besser werden als Hauptkonkurrent Tesla.
Eine Sache der Familie
"Wofür ich hier eigentlich jeden Tag kämpfe ist, dass die Beschäftigung auf einem hohen Niveau bleibt. Dass die Menschen qualifiziert werden, dass sie nicht Verlierer der Transformation sind. Dass auch zukünftige Generationen hier Arbeit finden können." So wie einst ihr Vater, der aus Süditalien nach Wolfsburg kam um bei Volkswagen zu arbeiten. Und wie sie selbst, ihre beiden jüngeren Schwestern und ihr Mann. Und wer weiß, vielleicht eines Tages auch ihre beiden Töchter. Volkswagen, das ist bei den Cavallos eine Art Familienbusiness.
Kein Poltern und kein Gucci
Kurz dachte Daniela Cavallo nach dem Abitur darüber nach, Wolfsburg zu verlassen und zu studieren. "Dann bin ich doch geblieben, was im Nachhinein der beste Schritt war. Ich habe es nie bereut, dass ich das gemacht habe", sagt sie heute. 2002 kam sie in den Betriebsrat, die neu eingeführte Frauenquote half ihr dabei. Gut möglich, dass sie sonst übersehen - oder vielmehr unterschätzt - worden wäre. Denn Cavallo tritt leise auf. Auf das gelegentliche Poltern und Provozieren, das zum Markenkern ihres Vorgängers Bernd Osterloh gehörte, verzichtet sie. Nicht ihr Stil. Auch ein Luxus-Gucci-Schal um den Hals wie bei Osterloh ist bei ihr schwer vorstellbar. Und im Scheinwerferlicht eines Studios zu stehen ist für sie eher nötiges Übel als großes Vergnügen.
"Die stellen fest, dass ich hartnäckig bleibe"
Weil sie dazu noch etwa zwei Köpfe kleiner ist als ihr Vorgänger, kann es tatsächlich vorkommen, dass sie unterschätzt wird. "Allerdings nicht von den Menschen, die schon mit mir zusammengearbeitet haben", sagt Cavallo trocken. "Andere, die mich nicht so gut kennen, lassen sich vielleicht von Äußerlichkeiten leiten. Aber die stellen dann schnell fest, dass ich hartnäckig bleibe, wenn ich der Meinung bin, dass bestimmte Forderungen berechtigt sind." Wie zuletzt die 3.000-Euro-Prämie für jeden Beschäftigten in Wolfsburg oder die 500-Euro-Corona-Prämie.
Diess: "Sehr fundiert, sehr gut vorbereitet"
Dass die oberste Arbeitnehmer-Vertreterin hartnäckig sein kann, das musste auch Konzernchef Herbert Diess leidvoll erfahren. Aus einem öffentlich ausgetragenen Streit mit Cavallo im Herbst ging er am Ende als Verlierer hervor. Er hatte quasi im Nebensatz fallen gelassen, dass in Wolfsburg eigentlich mehr als 30.000 Arbeitsplätze überflüssig seien. Cavallo griff ihn dafür scharf an - und Diess ruderte schließlich zurück. Heute äußert er sich über Cavallo betont wertschätzend: "Ich finde sie sehr fundiert, sehr gut vorbereitet, sehr stark auch abdeckend die emotionale Dimension des Wandels, die Betroffenheit der Mitarbeiter. Ich finde, dass sie da insbesondere den Standort Wolfsburg, aber auch den gesamten Konzern sehr gut vertritt und repräsentiert." Aktuell arbeiten Diess und Cavallo geräuschlos zusammen, mindestens einmal pro Wochen gibt es ein gemeinsames Meeting.
Ruhig und sachlich weiterarbeiten
Gänzlich ohne Gegner ist Cavallo im Konzern trotzdem nicht. Sie hat nie am Band gearbeitet, kennt die Produktionshallen nicht aus eigener Erfahrung. Einzelne langjährige IG-Metall-Mitglieder fremdeln mit der Frau an der Spitze des Betriebsrats - die einen werfen ihr eine zu große Nähe zum Vorstand vor, die anderen das genaue Gegenteil, kritisieren einen zu scharfen Ton. Bei den Betriebsratswahlen Mitte März hat sie sich zum ersten Mal dem Votum der Beschäftigten stellen müssen. Sie erreichte mit der IG Metall 85,5 Prozent der Stimmen. Sie selbst wird das nicht groß feiern, sondern weiterarbeiten. Ruhig und sachlich. Und überwiegend abseits der großen Scheinwerfer.