Wenn's stinkt, ist er gefragt: Der Geruchsgutachter
Wenn es stinkt, dann kommt er: Geruchsgutachter Thomas Liebich. Er erschnüffelt für den TÜV Nord sämtliche Gerüche. Was erst einmal lustig klingt, hat allerdings einen ernsthaften Hintergrund.
"Ich beschäftige mich mit Gerüchen - und zwar weniger mit den angenehmen, eher mit den unangenehmen", sagt Liebich, während er auf dem Dach der Mülldeponie in Hannover steht. Seine Aufgabe: Den Bio-Filter auf der Deponie prüfen - eine Anlage, die Abgase aus dem Kompostwerk reinigt. Einmal im Jahr muss das gemacht werden, so ist es gesetzlich festgeschrieben. Und genau dann kommt Liebichs Nase zum Einsatz.
Besonders gefragt fürs Riechen: Eine "europäische Normalnase"
"Es gibt einen Bereich, wo wir Luft sozusagen als Luft-Schadstoffe betrachten, wo Gerüche erhebliche Belästigungen auslösen können und deshalb gucken wir, ob Anlagen zu viele Gerüche machen", erklärt der 61-Jährige. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet er als Geruchsgutachter für den TÜV Nord. "Ich habe eine geprüfte europäische Normalnase", sagt Liebich. Die sei Voraussetzung für seinen Beruf als. "Was ich den meisten Menschen voraus habe, ist, dass ich eben viel Erfahrungen habe. Wenn ich über Land fahre, dann kann ich schon sagen: ah, hier ist eine Kompostierungsanlage oder eine Zuckerfabrik".
Luftproben werden im Labor erneut erschnüffelt
Um Gerüche einzufangen, reiche seine "europäische Normalnase" allein aber nicht. Denn auch die gewöhnt sich sehr schnell an Gerüche und kann diese dann nicht mehr objektiv beurteilen. Also braucht es auch technisches Gerät: das Olfaktometer. Die Proben, die damit gezogen werden, werden im Labor allerdings nicht technisch untersucht. Hier kommen vielmehr weitere Prüferinnen und Prüfer mit "europäischen Durchschnitts-Nasen" zum Einsatz. Die fünf Personen müssen die Gerüche dann "verriechen", das heißt, endgültig beurteilen, ob und wie störend diese sind.
"Schlachthof" im Rohgas ist nicht schön
Fakt ist: Nicht alle Gerüche sind angenehm, gleichwohl müssen sie gutachterlich korrekt bewertet und benannt werden. " 'Schlachthof' zum Beispiel ist nicht ganz so schön im Roh-Gas", sagt Karen Steinbrecher, Mitarbeiterin beim TÜV Nord. "Dann freuen sich immer alle, wenn wir als Gegen-Proben mal wieder 'Bäckerei' oder 'Kaffee' haben, weil das ja dann doch eher angenehme Gerüche sind", sagt Expertin Steinbrecher.
KI kann europäische Durchschnitts-Nasen nicht ersetzen
Die Ergebnisse der Prüfenden aus dem Labor landen wieder bei Liebich auf dem Schreibtisch. Dort schreibt er die Gutachten zu den Gerüchen. Auch wenn bei seinem Beruf technische Geräte notwendig sind, ist sich Liebich sicher: Auf europäische Normalnasen kann man auch in Zukunft nicht verzichten. Viele seiner Verfahren seien für eine Künstliche Intelligenz noch zu komplex: "Ich mache mir da keine Sorgen, dass ich wegen einer KI arbeitslos werde".
Gestank führt auch zu Streitigkeiten
Was lustig klingt, hat aber manchmal auch einen ernsten Hintergrund: Da wo es stinkt, wird nämlich auch gestritten. Mit seinem Beruf als Geruchsgutachter ist der 61-Jährige in mehreren Bereichen gefragt: Zum Beispiel für Gerichtsgutachten, wenn Gerüche zu Nachbarschafts-Streitigkeiten führen.