Warnte Staatsanwalt Drogenmafia? Ermittlungen Thema im Landtag
Ein Staatsanwalt aus Hannover soll Drogenhändler über eine bundesweite Razzia im Jahr 2022 informiert haben. Das Justizministerium hat am Donnerstag den Niedersächsischen Landtag über den Fall informiert.
Der 39-jährige Staatsanwalt wird verdächtigt, eine international agierende Rauschgiftbande über Ermittlungsergebnisse informiert zu haben. Daher geht es auch um die Frage, warum er weiterhin ermitteln durfte - obwohl die Vorwürfe bekannt waren. Ein Abteilungsleiter des Justizministerium verteidigte am Donnerstag, dass der Staatsanwalt von den Ermittlungen nicht abgezogen wurde. "Es gab keine Gründe, ihn nicht weiter einzusetzen", sagte er im Rechtsausschuss. Denn die Ermittlungen gegen den verdächtigen Staatsanwalt seien 2022 ohne Ergebnis geblieben. Damals wurde seine Wohnung durchsucht, dabei wurden Datenträger sichergestellt. Diese lieferten laut Justizministerium keine ausreichenden Beweise. Deshalb seien die Ermittlungen 2023 eingestellt worden, ein hinreichender Tatverdacht fehlte.
Staatsanwalt war bekannt für akribische Arbeit
Der Abteilungsleiter verwies darauf, dass Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte häufig in Verfahren beschuldigt würden. "In 90 Prozent der Fälle stimmt das aber nicht." Der 39-jährige Verdächtige sei unauffällig gewesen. "Er war bekannt für seine akribische Arbeit", beschreibt ihn der Abteilungsleiter. In den betreffenden Drogenverfahren habe er hohe Strafen gefordert.
Ermittlungen im Juni neu aufgerollt
Weil der Behörde aber klar gewesen sei, dass ein Maulwurf existiere, wurden die Ermittlungen im Juni dieses Jahres erneut aufgerollt. "Aber gegen Unbekannt", fasste der Abteilungsleiter im Rechtsausschuss zusammen. Eine Ermittlerin der Staatsanwaltschaft Hannover ging den Hinweisen nach. Mithilfe von ausgewerteten verschlüsselten Chats sei ihr Kollege dann erneut ins Visier geraten. Vergangene Woche wurden dann die Wohnung und das Dienstzimmer des verdächtigen Staatsanwalts durchsucht, der 39-Jährige wurde festgenommen. Er sitzt in Untersuchungshaft.
CDU: "Staatsanwaltschaft ermittelt gegen eigenen Kollegen"
Dass die Staatsanwaltschaft Hannover gegen den eigenen Kollegen ermittelt, ist aus Sicht des Ministeriums kein Problem. "Die Entscheidung ist gut vertretbar", hieß es am Mittwoch. Denn die Ermittlerin habe schon tief in dem Fall gesteckt, sie abzuziehen, hätte die Ermittlungen massiv verzögert, so die Begründung. Die CDU sieht das anders. Die Parlamentarische Geschäftsführerin sagt dem NDR Niedersachsen: "Es ist für uns nach wie vor nicht plausibel, wieso die Staatsanwaltschaft Hannover gegen einen Kollegen ermittelt." Das sei untragbar. Einen plausibler Grund sei nicht genannt worden. Außerdem kritisierte Hermann, dass Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) den Landtag nicht selbst über den Fall unterrichtet habe.
Verdächtiger war Chefermittler bei Rekord-Kokainfund
Der 39-Jährige war nach Recherchen des NDR und der "Süddeutschen Zeitung" schon länger verdächtig. Ihm wird unter anderem Bestechung und Geheimnisverrat vorgeworfen, weil er Informationen an führende Köpfe eines Drogenkartells verkauft haben soll. Der Staatsanwalt soll in eines der größten Kokainverfahren Deutschlands involviert gewesen sein. Im Februar 2021 hatten Beamte der Zollfahndung mehr als 16 Tonnen Kokain im Hamburger Hafen entdeckt. Der Drogendfund kam auf einen Marktwert von rund 448 Millionen Euro. Nach bisherigen Erkenntnissen soll der in Untersuchungshaft sitzende Staatsanwalt Chefermittler in einem Verfahren gegen das Drogenkartell gewesen sein. Weil er die Drogenhändler vor einer Razzia gewarnt haben soll, konnten diese sich ins Ausland absetzen. Bislang gilt die Unschuldsvermutung.