Todkrank und ohne Hausarzt: Clara fällt durch alle Raster
Clara Schnee aus Hannover ist schwer krank. Wie viel Zeit ihr noch bleibt: unklar. Sie ist rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen. Doch es fehlen nicht nur Pflegekräfte, selbst ein Hausarzt findet sich nicht.
Dass Clara Schnee überhaupt noch lebt, ist ein Wunder. Die 32-Jährige leidet an den Folgen zweier seltener Gendefekte. Ihr Zustand verschlechtert sich stetig. Früher konnte sie Reiten und Klavierspielen, war immer draußen. Sie ist hochbegabt und hat Biochemie studiert. Jetzt wird sie künstlich beatmet und ernährt, kann nur noch im Bett liegen. "Diese Abhängigkeit von anderen Menschen ... Also mein Leben hängt ja an anderen Menschen. Wenn einer mal fünf Minuten nicht da ist und in den fünf Minuten ist was, dann kann ich tot sein. Mit dem Gedanken zu leben, ist halt schwer", sagt sie.
Clara fällt durch alle Raster - auch Hausärzte kapitulieren
Pflegekräfte zu finden, ist schon eine riesige Herausforderung. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, hat Clara momentan auch keinen Hausarzt. Drei Praxen haben im Laufe der vergangenen Jahre nacheinander die Versorgung aufgegeben. Ohne Begründung. Vielleicht war die Versorgung zu komplex, vielleicht ist Clara mit ihren körperlichen und seelischen Nöten zu anstrengend. Eigentlich sollen todkranke Menschen wie sie auch zu Hause versorgt werden können. Darauf gibt es einen Rechtsanspruch. Doch die Realität sieht anders aus.
Überfordern komplexe Fälle wie der von Clara die Hausärzte?
Dr. Matthias Berndt, Vorsitzender im niedersächsischen Landesverband der Deutschen Hausärzte, sagt: "Wenn man als Krankenkasse oder Politik entscheidet, dass solche schwerkranken Patientinnen und Patienten in der Häuslichkeit versorgt werden, dann sollte man zunächst einmal ein Versorgungskonzept für diesen Patienten haben. Parallel gehört natürlich dazu, dass die Anreizsysteme für alle Beteiligten stimmig sind."
Verband: Niedersachsen bildet nicht genug Hausärzte aus
Derzeit stimmten weder die Strukturen, noch die Anreize, sagt Berndt. Das Problem werde landesweit noch weiter zunehmen, weil seit Jahrzehnten trotz Mahnungen des Verbands nicht mehr Hausärztinnen und Hausärzte aus- und weitergebildet würden. Zudem gehöre die Betreuung von beatmeten Patienten, Diagnostik, Behandlung, Therapieüberwachung von Epileptikern sowie die Versorgung mit Schmerzpumpen ausdrücklich nicht zum Weiterbildungskatalog der Allgemeinmedizin - ebenso wenig wie Blinddarmoperationen im Wohnzimmer oder Chemotherapien in der Küche, betont Berndt. Dafür seien Ärzte in den Facharztdisziplinen Anästhesiologie, anästhesiologischen Schmerzmedizin beziehungsweise Neurologie ausgebildet, Hausärzte in der Regel nicht.