Tarifabschluss: "Ein harter Brocken" für die Kommunen
Inflationsausgleich, Sockelbeträge, monatliches Plus: Während die Beschäftigten im öffentlichen Dienst deutlich mehr Lohn bekommen, fragen sich Bürgermeister und Landräte, wo das Geld herkommen soll.
Das Hallenbad schließen? Steuern erhöhen? Oder weiter in die Schulden rutschen? Am Montag nach dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst rechnen die Kommunen durch, was die Einigung für sie bedeutet. Vieles ist unklar - nur eines ist sicher: Es wird teuer. "Ich habe so einen Tarifabschluss noch nicht erlebt", sagt Clemens Gebauer, Vertreter des Bürgermeisters in Springe (Region Hannover). In diesem Jahr ließen sich die Mehrkosten noch einigermaßen auffangen, weil die Stadt vorausschauend geplant habe. Aber "ab dem nächsten Jahr wird es haarig", fürchtet Gebauer.
Städtetag: "Harter Brocken für kommunale Haushalte"
In seiner Brust schlagen zwei Herzen, wie Gebauer sagt. Er freue sich für seine Beschäftigten, sie hätten sich das Gehaltsplus verdient. Andererseits sei die Finanzlage der Kommunen seit Jahren prekär, der Tarifabschluss verschlimmere die Lage noch. Springe ist kein Einzelfall. Der Tarifabschluss stellt viele Kommunen in Niedersachsen vor Probleme. "Die Folgen sind überall spürbar", sagt Stephan Meyn, der Sprecher des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes. Jan Arning, Chef des Niedersächsischen Städtetags, hält den Tarifabschluss zwar für "völlig gerechtfertigt", weil er die Beschäftigten entlastet. Gleichwohl sei die Einigung "ein harter Brocken" für die kommunalen Haushalte.
Was fällt dem Rotstift zum Opfer?
Wenn die Kommunen ihre Beschäftigten besser bezahlen, fehlt ihnen Geld an anderer Stelle. Um Löcher zu stopfen, können sie zum Beispiel Steuern und Gebühren erhöhen oder freiwillige Leistungen wie Schwimmbäder oder Büchereien zusammenstreichen. Kommunen können sich auch Geld leihen, um Haushaltslöcher zu stopfen - dabei handelt es sich um sogenannte Kassenkredite. Was Gemeinden, Städte und Landkreise im Einzelnen unternehmen, liegt zum größten Teil in der Hand der Stadt- und Gemeinderäte sowie der Kreistage. Für genaue Berechnungen ist es jetzt noch zu früh.
Soltau rechnet mit 800.000 Euro - allein für Inflationsausgleich
In vielen Rat- und Kreishäusern wird heute gerechnet - so auch in Soltau. Allein der Inflationsausgleich von 3.000 Euro netto pro Person führt in Soltau zu Kosten von insgesamt rund 800.000 Euro. Dazu kommen ab dem kommenden Frühjahr monatliche Mehrkosten von mehreren hundert Euro pro Mitarbeiter. In Soltau sind das 270 Beschäftigte. Der erste Stadtrat, Karsten Lemke, betont: Er habe Verständnis für die Beschäftigten, schließlich hätten auch sie unter der Inflation zu leiden. Lemke verweist aber auch auf die kommunalen Aufgaben, für die der Spielraum immer enger werde: Kitas, Ganztagsschulen, Sportplätze - dafür müsse die Stadt Geld aufbringen.
Kommunen schauen Richtung Land und Bund
Auch die Landkreise stehen nach dem Tarifabschluss vor Schwierigkeiten. Sven Ambrosy (SPD), Landrat des Landkreises Friesland und Präsident des Niedersächsischen Landkreistages, rechnet damit, dass die Kommunen finanziell gestützt werden müssen. "Ich kann nicht ausschließen, dass wir zum Land und Bund gehen müssen", sagt Ambrosy. Besonders angespannt sei die Lage in Landkreisen, die ein öffentliches Krankenhaus haben. Für die kommunalen Kliniken fordert Ambrosy deshalb ein Sofortprogramm des Bundes.